Im Zuge der Energiekrise 2022 erfolgte die faktische Verstaatlichung des Energiekonzerns Uniper, da der Bund 99 Prozent der Aktien durch die Uniper Beteiligungsholding übernahm. Diese Aktion wurde von der EU-Kommission genehmigt, jedoch wurden dabei bedeutende Auflagen verhängt. Unter anderem war Uniper dazu gezwungen, mehrere Beteiligungen abzustoßen, so zum Beispiel das Steinkohlekraftwerk Datteln IV und das Gaskraftwerk in Gönyü, Ungarn. Auch das Fernwärmegeschäft in Deutschland musste verkauft werden.
Interessanterweise forderte die EU-Kommission nicht den Verkauf von Unipers Anteilen an drei schwedischen Atomkraftwerken. Gegen Ende 2022 erklärte das Unternehmen, dass es keine Pläne für den Bau weiterer Atomkraftwerke in Schweden verfolge. Noch im September, kurz nach der Übernahme, äußerte das von Robert Habeck geleitete Wirtschaftsministerium Unsicherheit darüber, ob die Übernahme auch die Atomkraftwerke mit einschließe.
Auf der Webseite des Wirtschaftsministeriums wurde diese Frage wie folgt kommentiert:
Betreibt die Bundesregierung jetzt Atomkraftwerke in Skandinavien?
Zum jetzigen Zeitpunkt kann zum weiteren Umgang mit den bisherigen Unternehmensaktivitäten von Uniper keine Aussage gemacht werden, da der Bund das Unternehmen noch nicht kontrolliert. Der Bund kann frühestens Ende des Jahres Uniper-Aktien erwerben und die Kontrolle über den Konzern übernehmen. Die Frage betrifft zudem die schwedische Energieversorgung, sodass vor jeder Entscheidung eine enge Abstimmung mit dem Partner Schweden erfolgen wird.
Obgleich Deutschland offiziell aus der Atomenergie ausgestiegen ist, bleibt unter der Oberfläche das Engagement in Kernenergie bestehen, wie das Beispiel Uniper illustriert. Tatsächlich bewirbt das nun staatseigene Unternehmen sogar seine Beteiligungen an Atomkraftwerken auf seiner Webseite und forscht zudem an neuen Reaktorentypen, den sogenannten Small Modular Reactors (SMR), die eine flexible und dezentrale Energieversorgung ermöglichen sollen.
Diese Diskrepanz zwischen öffentlicher Abkehr von der Kernenergie und tatsächlichem Engagement wirft Fragen zur Glaubwürdigkeit auf, insbesondere bei den Grünen und ihrem Wirtschaftsminister. Trotz aller Kritik ist eine Weiterentwicklung der Kernenergie-Technologie aus wirtschaftlicher Sicht vital für Deutschland.
Zusätzlich zu diesen Spannungen sorgt der Kampf um Energiepreise zwischen Deutschland und Schweden für Unmut. Schweden, kritisiert durch seine Energieministerin Ebba Busch, wirft Deutschland eine kurzsichtige Energiepolitik vor – eine Kritik, die von Habeck scharf zurückgewiesen wurde.
Weltweit erfährt die Kernkraft eine Renaissance, mit neuen Atomkraftwerken, die in zahlreichen Ländern geplant und gebaut werden. Auch Russland schreitet mit dem Bau seiner neuesten Generation von AKWs voran und hat zudem den Brennstoffkreislauf optimiert. Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass der deutsche Alleingang beim Atomausstieg zunehmend in die Kritik gerät.
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