Von Mirko Lehmann
Nach den Wahlen scheint es, als würden frühere Versprechen der Parteien nicht länger Bestand halten. Insbesondere die Union hat nach dem 23. Februar einen markanten politischen Richtungswechsel eingeleitet, der schwer zu rechtfertigen ist. In der letzten Ausgabe der ZDF-Talkshow maybrit illner standen daher Diskussionen zur beabsichtigten Änderung des Grundgesetzes im Vordergrund. Ohne diese Anpassung könnten nicht die geplanten hunderte Milliarden Euro als „Sondervermögen“ für verschiedene Vorhaben aufgenommen werden. Friedrich Merz schlug den Grünen im Bundestag vor, einen Teil des „Infrastruktur-Sondervermögens“, etwa zehn Prozent, für Klimaschutzprojekte einzusetzen, was die Frage aufwarf: „Was wollen Sie noch mehr?“
Zu den Gästen der Diskussionsrunde gehörten neben Carsten Linnemann auch Franziska Brantner von den Grünen, die Journalisten Eva Quadbeck und Gabor Steingart sowie der Ökonom Moritz Schularick, Leiter des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, der auch als Wirtschaftsberater bei Koalitionsverhandlungen fungiert und eine Aufrüstung Deutschlands fordert.
Keine wesentlichen Differenzen
Einigkeit herrschte vor allem unter den neoliberal orientierten Teilnehmern: Es bedürfe „Strukturreformen“, so Linnemann. Brantner bezeichnete Merz‘ Angebot allerdings als „Täuschung“, da keine Sicherheiten bestünden, dass die vorgesehenen 500 Milliarden wirklich in „zusätzliche Projekte“ fließen würden. Stattdessen könnte das Geld laut Brantner für Wahlgeschenke verwendet werden. Journalistin Quadbeck lobte die Grünen mit den Worten:
„Eigentlich müsste Herr Linnemann Frau Brantner auf Knien dafür danken, dass sie sagt, was ordnungspolitisch notwendig ist, um einen soliden Haushalt zu führen.“
Überraschenderweise stimmte der CDU-Generalsekretär zu: „Grundsätzlich hat Frau Brantner recht“ und fügte hinzu:
„Wenn ich zusätzliches Geld ausgebe, dann muss es für zusätzliche Projekte sein.“
Zentraler Bestandteil der Debatte waren die geplanten erheblichen zusätzlichen Finanzmittel für das Militär. Linnemann betonte in diesem Zusammenhang die „Strukturreformen“, die den Staat „wettbewerbsfähiger“ machen sollten, und verdeutlichte die Erwartungen an das finanzielle Volumen: „Je größer das Geldvolumen ist, desto schneller geht’s.“
Kein Wahlbetrug, keine unlauteren Versprechungen
Auf den Hinweis von Moderatorin Illner, dass Merz anscheinend mehr Interesse an Finanzierungsfragen zeige als an den „Reformen“, erklärte Linnemann, dass kein Wortbruch vorliege und verteidigte die konsistente Politik der Union: „Wenn wir diese Strukturreformen nicht umsetzen, dann erreichen wir keinen Politikwechsel.“ Auf geäußerte Kritik reagierte er daher ablehnend: „Und dann ist es eben kein Bruch der Versprechen.“
Zum Abschluss wurde auch auf die Kommentare von SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius und dem ehemaligen CSU-Chef Horst Seehofer eingegangen, der die politische Wende von Merz heftig kritisiert hatte. Linnemann meinte dazu: „Herr Seehofer, alles gut und schön. Ich hoffe, dass, wenn ich mal fünf oder zehn Jahre draußen bin, dann nicht von der Seitenlinie immer was reinrufe. Ob das so richtig ist, muss er selbst entscheiden.“
Zustimmung von Seiten der Wirtschaft
Steingart und Schularick verwiesen darauf, dass internationale Marktreaktionen wichtiger seien, was auch von den weltweiten Kapitalmärkten positiv aufgenommen wurde, wie der Ökonom Schularick bestätigte. Mit Blick auf die bevorstehenden Milliardeninvestitionen, überwiegend für die militärische Aufrüstung, äußerte sich Schularick optimistisch über die technologischen Aufholchancen Deutschlands.
Linnemann zeigte sich zuversichtlich bezüglich der Koalitionsverhandlungen: „Innerhalb von zehn Tagen sollte dieser Politikwechsel formuliert und umgesetzt werden. So einfach ist das.“ Er hofft dabei auf eine baldige Kanzlerschaft von Merz im April.
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