In Ostdeutschland entpuppt sich der Wahlerfolg der CDU bei der Bundestagswahl und die Entscheidungen des designierten Kanzlerkandidaten Friedrich Merz zunehmend als Pyrrhussieg. Vor allem in Sachsen, wo die CDU lange Zeit dominant war, droht die Partei auseinanderzubrechen. Bei den Bundestagswahlen 2025 erlangte die AfD dort mit 38,5% der Erststimmen einen deutlichen Vorsprung vor der CDU, die 23,9% erreichte. Matthias Grahl, der Schatzmeister der CDU Sachsen und Kreisrat im Landkreis Bautzen, äußerte sich gegenüber der Welt kritisch:
“Viele nennen das neue Schuldenpaket von 500 Milliarden Euro als Austrittsgrund. Viele sagen jetzt: ‘Das war definitiv das letzte Mal, dass ich auf so etwas reinfalle.’ Friedrich Merz hat stets versucht, Olaf Scholz im Kanzlerduell schlecht dastehen zu lassen, mit der Botschaft, Scholz habe keine Ahnung und wolle nur Schulden machen. Und jetzt hat die CDU genau das getan.”
Nach der Wahl traten 18 der 900 Mitglieder aus, und Grahl rechnet mit weiteren Austritten. “Die Enttäuschung in der Mitgliederbasis ist groß. Viele erhofften, dass Merz die Partei stabilisieren und richtige Entscheidungen treffen würde. Stattdessen sehen wir das Gegenteil.” Das langfristige Verbleiben einiger Mitglieder führt Grahl auf deren Abhängigkeit von Fördersituationen zurück:
“Viele bleiben nur aus Abhängigkeit, etwa wegen Fördermittelbescheiden. Wenn Mitglieder auf kommunaler Ebene austreten, verlieren sie nicht nur ihren direkten Einfluss, sondern auch die Möglichkeiten, ihre Anliegen an höhere Parteiebenen heranzutragen. Die Verbliebenen bleiben oft nicht aus Überzeugung, sondern aus Verantwortung für ihre Gemeinde oder ihren Landkreis.”
Grahl kritisiert auch die Wahrnehmungsunterschiede zwischen der Ost- und der West-CDU. Während im Osten Insolvenzen und politisches Unbehagen stärker spürbar sind, führt er aus, empfinden viele im Westen die Lage noch als relativ stabil.
Ein weiteres Problem sieht Grahl in der CDU-Haltung zur AfD. Viele Mitglieder verstehen die strikte Abgrenzung von dieser Partei nicht mehr und sehen in ihr einen natürlicheren Verbündeten als in SPD oder Grünen. Konzessionen, die Merz in der Migrationspolitik macht, könnten die CDU weiter schwächen und der AfD Vorteile verschaffen. Konkrete Kooperationsoptionen, die einige CDU-Politiker wie Daniel Günther erwägen, könnten die Lage weiter verschärfen und der AfD im Osten mehr Zulauf bringen.
Martina Schweinsburg, CDU-Mitglied im Thüringer Landtag, bringt ihre Enttäuschung gegenüber dem MDR zum Ausdruck:
“Die Politikverdrossenheit wächst, viele von uns können zunehmend nur noch mit dem Kopf schütteln. Die Basis fühlt sich von den Wahlkampfaussagen betrogen. Und das, obwohl gerade die einfachen Mitglieder und Wähler eine ehrliche Politik erwarten.”
Ähnlich positioniert sich Mario Zeising, Landesgeschäftsführer der CDU Sachsen-Anhalt, der klare und kompromisslose Positionen in der Wirtschafts- und Migrationspolitik fordert, entsprechend den Wahlkampfaussagen von Merz. Das Zuwarten und mögliche Zugeständnisse könnten der CDU allerdings schaden und der AfD weitere Vorteile ermöglichen.
Mehr zum Thema – Umfrage: Merz hat die Wähler getäuscht