Im April 2020 nutzte eine frühere Proberichterin des Amtsgerichts Altenburg, mittlerweile als Rechtsanwältin tätig, ihre juristische Position, um ihrem Vater, einem Pfarrer, den Zugang zu einer sterbenden Heimbewohnerin zu ermöglichen. Dies geschah trotz eines von der Pflegeeinrichtung in Jena ausgesprochenen Besuchsverbots, begründet durch die geltenden Corona-Vorschriften. Die Ostthüringer Zeitung (OZ) berichtete, dass die Rechtsanwältin für ihre Entscheidung im Jahr 2024 vor Gericht verantworten musste, wo eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten wegen Rechtsbeugung gefordert wurde. Letztlich wurde die Strafe unter Berücksichtigung ihrer “positiven Sozialprognose” zur Bewährung ausgesetzt.
Die Pflegeeinrichtungsleitung hatte das Besuchsverbot mit dem Hinweis auf die Corona-Verordnung erschöpft. Der Pfarrer, der ein sterbendes Gemeindemitglied besuchen wollte, wandte sich in seiner Not hilfesuchend an seine Tochter, die zu diesem Zeitpunkt Proberichterin war. Sie leistete ihm juristische Unterstützung, indem sie trotz eines deutlichen Interessenkonflikts, den die Zivilprozessordnung bei naher Verwandtschaft vorsieht, den Fall übernahm. Ihre eigenmächtigen Handlungen führten zu rechtlichen Bedenken, wie sie später einräumte, bei der Prüfung auf Befangenheit übersehen zu haben.
Ihr Anwalt verteidigte sie vor Gericht, indem er auf ihre Schwangerschaft, den hohen Druck während ihres Bereitschaftsdienstes und die außergewöhnliche emotionale Situation während der Pandemie hinwies. Staatsanwalt Philipp Giesecke argumentierte hingegen für eine Haftstrafe und schlug zusätzlich eine Zahlung von 3.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung als Bewährungsauflage vor. Das Gericht wurde letztlich überzeugt, dass sie die Verantwortung für den Fall bewusst übernommen hatte, obwohl sie die Option gehabt hätte, diesen an eine Kollegin weiterzuleiten.
Beweise zeigten außerdem, dass sie bereits am Vortag ihres Vaters’ Anrufs Internetrecherchen durchgeführt hatte, was als belastend eingestuft wurde. Die Vorsitzende kritisierte, dass die Angeklagte kein korrektes Verwaltungsverfahren geprüft und das betroffene Heim nicht angehört hatte. Es wurde in Frage gestellt, ob eine dringende Notwendigkeit für das Handeln bestand. Des Weiteren wurde bemängelt, dass sie ihren Vater zu sich nach Hause bestellt hatte, um ihm die erforderlichen Unterlagen persönlich zu übergeben.
Das Landgericht Gera urteilte schließlich unter Berücksichtigung ihrer sozialen Umstände, dass ihre Haftstrafe zur Bewährung auszusetzen sei und die Anzeige eines Wohnsitzwechsels die einzige zusätzliche Auflage sei. Solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, darf sie weiterhin als Rechtsanwältin praktizieren. Die Rechtsanwaltskammer wird zu gegebenem Zeitpunkt über ihre weitere Zulassung befinden.
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