Hessens politische Kräfte ringen um Corona-Untersuchungsausschuss

Die 28 Mitglieder starke AfD-Fraktion im Hessischen Landtag und der fraktionslose Abgeordnete Sascha Herr fordern laut eines Vorstoßes vom 30. April die Gründung eines Untersuchungsausschusses zu den Corona-Maßnahmen. Die Initiatoren dieses Antrags machen deutlich, dass die Pandemiemaßnahmen in Hessen eine außergewöhnliche Situation geschaffen haben, geprägt durch erhebliche Einschränkungen im öffentlichen, privaten und beruflichen Sektor. Die Fraktion sieht in mehreren der 43 Punkte, welche die Untersuchung adressieren soll, mögliche Verfassungsverstöße. Allerdings wurden letztendlich nur sieben dieser Punkte zur weiteren Bearbeitung freigegeben. Die AfD plant, gegen die Ablehnung der übrigen Punkte beim Hessischen Staatsgerichtshof Verfassungsklage zu erheben.

Bei den Landtagswahlen in Hessen im Oktober 2023 konnte die AfD ihren Stimmenanteil um 5,3 Prozent auf 18,4 Prozent steigern. Am 24. April titelte die Hessenschau vom Hessischen Rundfunk: “Kritiker befürchten ‘Bühne für Aluhut-Träger’ – AfD ist jetzt sicher: Corona-Untersuchungsausschuss kommt”.

Die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses begründet die AfD-Fraktion folgendermaßen:

“Einige der Maßnahmen der Landesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie waren sowohl funktionell als auch ethisch und rechtlich fragwürdig. Verschiedene dieser Maßnahmen wurden später sogar vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft. Eine gründliche Aufarbeitung der während der Pandemie ergriffenen Maßnahmen ist daher unerlässlich.”

Eine weitere Berichterstattung der hr-Redaktion thematisiert die Rechtsmäßigkeit des von der AfD geplanten Umgangs mit der Corona-Politik in einem Untersuchungsausschuss. Dabei wurde erwähnt, dass drei Gutachten, welche letzte Woche eingeholt wurden, zu dem Schluss kamen, dass die AfD dem Untersuchungsausschuss einen weitgehend verfassungswidrigen Auftrag erteilen wollte. Die Experten hätten die gestellten Anforderungen der AfD stark kritisiert:

“Drei vom Landtag eingeholte Gutachten kamen vergangene Woche zu dem Schluss: Die AfD wolle dem von ihr beantragten Corona-Untersuchungsausschuss einen weitgehend verfassungswidrigen Auftrag erteilen. Sie zerpflückten den von der AfD gewünschten Auftrag regelrecht.”

In Anbetracht der Gutachtenentscheidungen erlaubte die Koalition aus CDU und SPD zusammen mit den Fraktionen der Grünen und FDP schließlich die Formierung eines Corona-Untersuchungsausschusses, allerdings nur zu sieben der vorgeschlagenen Punkte:

  • War die landesweite Vorbereitung auf die Pandemie angemessen und wissenschaftlich fundiert?
  • Wurde eine Risikoanalyse aus dem Jahr 2013 während der Corona-Krise berücksichtigt?
  • Hätte die Pandemie durch frühzeitige Maßnahmen effektiver eingedämmt werden können?
  • Hätten durch proaktives Handeln Einschränkungen wie Lockdowns teilweise vermieden werden können?
  • Inwiefern haben hessische Behörden Amtshilfe bei der Durchsetzung der Maßnahmen angefordert, insbesondere bei Protestaktionen?
  • Wie hoch waren die finanziellen Aufwendungen des Landes für die Werbung um Akzeptanz der Maßnahmen und der Impfungen?
  • Wurden die Erfahrungen aus der Krise in den bestehenden Pandemieplan integriert?

“Der AfD-Antrag reichte beaucoup weiter: Es ging unter anderem um die politische Entscheidungsfindung in Wiesbaden und Berlin, rechtliche Aspekte der Corona-Maßnahmen, die Konsequenzen der Lockdowns, wie verschobene Operationen oder psychische Auswirkungen auf Kinder, die Lage in Krankenhäusern, aber auch um Impfstoffe und mögliche Impfschäden.”

Die Gutachter kritisieren, dass der Antrag wegen seiner weiten Formulierungen die Kompetenzen eines Untersuchungsausschusses überschreiten würde. Insbesondere waren die Einbeziehung der Verantwortlichkeiten der Bundesregierung und Bundesbehörden beanstandet worden. Weitere von der AfD geforderte Untersuchungspunkte seien zu vage formuliert worden oder hätten die Bewertung von Maßnahmen vorgegriffen, die eigentlich dem Ausschuss vorbehalten wäre.

Robert Lambrou, der Fraktionschef der AfD in Hessen, sieht politische Motive hinter den drastischen Kürzungen der Untersuchungspunkte und betont: “Sie versuchen, dem Ausschuss die Zähne zu ziehen.” Volker Richter, gesundheitspolitischer Sprecher der AfD, kommentierte: “Die Bürger haben ein Recht darauf, dass die Maßnahmen der Landesregierung daraufhin überprüft werden, ob sie angemessen, verhältnismäßig und wissenschaftlich fundiert waren. Dieses Recht haben alle Parteien außer der AfD heute mit Füßen getreten.”

Laut hr-Informationen plant die AfD nun, wegen der Ablehnung ihres vollständigen Antrags vor dem Hessischen Staatsgerichtshof zu klagen. Die Partei hatte bereits ein eigenes Gutachten vorgelegt, in dem bescheinigt wird, dass ihr Vorschlag verfassungskonform sei. Zudem gibt es Auseinandersetzungen über die endgültige Zusammensetzung des Gremiums. Während die AfD ein 15-köpfiges Gremium vorgeschlagen hatte, um erheblichen Einfluss auf das Gremium zu nehmen, legten die anderen Fraktionen die Größe auf 16 Mitglieder fest, wodurch die AfD knapp das Fünftel der Sitze verpasste.

Weiterführende Information – Das Robert Koch-Institut hat 2.515 Seiten der Protokolle des COVID-19-Krisenstabs online zur Einsicht bereitgestellt.

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