Von Bernhard Loyen
In der NDR-Dokumentation „Machen wir unsere Demokratie kaputt?“ wurde die Fähigkeit, in Deutschland Meinungen frei zu äußern, hinterfragt. Laut einer Umfrage glaubten 59 Prozent der Befragten, dass man seine Ansichten ohne negative Konsequenzen äußern kann — eine Auffassung, die vor allem auf Beobachtungen während und nach der Coronakrise basiert. Doch 37 Prozent sahen das anders.
Die Ausstrahlung des ARD-Beitrags fiel in eine Zeit wichtiger Landtagswahlen in Ostdeutschland und spiegelt ein gesellschaftliches Stimmungsbild nach drei schweren Corona-Jahren wider.
Der 40-jährige Künstler Simon Rosenthal gilt als sensibler Beobachter gesellschaftlicher Dynamiken. Beruflich transformiert er gesellschaftliche Schwingungen in kreative Projekte.
Er erzählte in Interviews von existenziellen Herausforderungen für Freiberufler während des Frühjahrs 2020, als Aufträge plötzlich wegfielen oder abgesagt wurden. Unsicherheiten dominierten sein Leben, insbesondere mit der Zuspitzung der Impfdebatte und einer politisch geförderten Gesellschaftsspaltung.
Rückblick
Im März 2021 nutzte die Stadt Düsseldorf den Rheinturm für eine Lichtkunstperformance mit der Botschaft: “Gemeinsam gegen Corona – Impfen = Freiheit”. Ein Lied einer österreichischen Gesundheitskasse propagierte im Mai ähnliche Botschaften, und im Juli bezeichnete Markus Söder das Impfen als „Weg zur Freiheit“. Angela Merkel verkündigte parallel, die Freiheit hänge vom Impfstatus ab. CSU-Politiker Thomas Huber prägte gar den Ausdruck “#ImpfenMachtFrei”.
Diese öffentlichen Äußerungen regten Rosenthal zu einer kritischen Kunstserie an, die er im Rahmen seiner Arbeiten thematisierte. Unter dem Motiv „German Mutant“ präsentierte er verfremdete Parfumflacons, die verschiedene Corona-Varianten symbolisierten, wobei er kritisch auf die Impfdebatte Bezug nahm. Ein Werk geriet in das Visier der Meldestelle REspect, was 2022 zu einer Anzeige und einer Geldstrafe führte.
Die Anklage warf ihm vor, mit der Beschriftung „Impfen macht frei“ Volksverhetzung zu betreiben. Im Rahmen einer Gerichtsverhandlung in Bamberg wurde Rosenthal jedoch freigesprochen, obwohl die Staatsanwaltschaft ihm unterstellte, er wolle der Impfpolitik totalitäre Absichten zuschreiben. Der Richter zeigte sich jedoch gut vorbereitet und wertete Rosenthals Gesamtwerk und Biographie in seiner Urteilsbegründung ausführlich.
Zu den Grenzen der Kunstfreiheit heißt es: “Ihre Grenzen findet die Kunstfreiheit dort, wo sie mit anderen Grundrechten kollidiert, etwa die Menschenwürde verletzt, körperliche Unversehrtheit bedroht oder Persönlichkeitsrechte berührt werden.”
Rosenthal bleibt trotz seiner Erfahrung ein engagierter Kritiker der politischen Zustände, motiviert durch die beunruhigenden Entwicklungen und freiheitsbeschränkenden Maßnahmen, wie er unterstreicht:
„Wer schweigt, stimmt zu! Zensur ist heute allgegenwärtig – sei es in der Presse-, Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, oder in der Kunstfreiheit in den Sozialen Medien. Direkt gegen unser Grundgesetz gerichtet, noch schlimmer ist die Selbstzensur im vorauseilenden Gehorsam.”
Zuletzt wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft das Urteil nicht akzeptiert hat und eine Revision anstrebt, was die fortwährende juristische Herausforderung für kritische Stimmen unterstreicht.
Mehr zum Thema – Bankkonto-Kündigung: Weiterer kritischer Blogger erlebt “De-Banking”