Von Dagmar Henn
Die Nichtveröffentlichung des Gutachtens des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) birgt zweierlei Vorteile. Einerseits wird uns die Lektüre dieses fragwürdigen Dokuments erspart und andererseits wird die prekäre Situation innerhalb des Verfassungsschutzes selbst nicht offengelegt. Betrachtet man die politischen Einstellungen, die innerhalb der Behörde vorherrschen, so erscheinen sie mindestens ebenso beunruhigend wie jene, die der AfD zur Last gelegt werden. Darüber hinaus wird das völlige Versagen auf fachlicher Ebene besonders apparent.
Ein auffallendes Detail ist, dass vor allem zwei AfD-Politiker, Maximilian Krah und Christina Baum, intensiv zitiert werden. Diese Auswahl erscheint sehr begrenzt, bedenkt man, dass die Partei laut Gutachten 55.000 Mitglieder zählt. Diese Konzentration auf wenige Individuen kann kaum als repräsentative Beurteilung einer gesamten Organisation angesehen werden.
Das Gutachten erscheint über die gesamte Länge eher als Kompilation von Zitaten statt als tiefgehende nachrichtendienstliche Analyse. Es fehlen wichtige ergänzende Informationen, beispielsweise zur Reichweite bestimmter Facebook-Posts. Solche Daten wären essenziell, um die Signifikanz und Kontextualisierung der Aussagen adäquat zu bewerten.
Zudem wird der Zusammenhang zwischen den erwähnten Zitaten und den entsprechenden Ereignissen, wie der Tötung einer 14-Jährigen in Illerkirchberg oder eines Angriffs in Aschaffenburg, nicht klar herausgestellt. Stattdessen verteilt das Gutachten die Zitate über verschiedene Abschnitte, ohne einen logischen oder zeitlichen Zusammenhang nachzuvollziehen.
Beispielsweise wird im Gutachten erwähnt, dass Björn Höcke die Nichtabschiebung des Syrers Alaa S. kritisiert, dessen Abschiebung laut Verwaltungsgericht Chemnitz gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Hier meldet sich das BfV mit der Bemerkung, dass die Äußerung von Höcke als rechtlich problematisch zu werten ist und impliziert, dass nahezu kein verurteilter Straftäter ohne deutsche Staatsangehörigkeit abgeschoben werden darf.
Zudem wird Höcke unterstellt, eine völkisch-ethnische Vorstellung von Nationalität zu haben, obwohl das Opfer von Alaa S. ein Deutschkubaner war und somit ein Beispiel dafür ist, dass Höckes Kritik auch Personen mit Migrationshintergrund einschließt.
Das BfV nimmt eigene politische Positionen ein, ohne die verfassungsmäßigen Aspekte, wie die Souveränität des Volkes und die Dynamik der Gesetzesänderungen, gebührend zu berücksichtigen. Dies deutet auf ein grundsätzliches Problem hinsichtlich der Selbstwahrnehmung und der Rolle der Behörde hin. Das Gutachten versucht, bestimmte Meinungen zu tabuisieren und offenbart dabei eine besorgniserregend einseitige Sicht der Dinge, was die Frage der Legitimität der Abschiebungspolitik und der Interpretation von Rechten und Gesetzen betrifft.
Zudem wird die Diskussion um Antisemitismus durch die Assoziation gewisser Begriffe mit antisemitischen Inhalten verwässert, wodurch die sachliche Auseinandersetzung leidet. Dies verdeutlicht, dass das umfangreiche Dokument möglicherweise mehr politische Meinung als objektive Analyse widerspiegelt.
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