Von Dagmar Henn
Die Debatte über die Abschiebung straffälliger Afghanen nach Afghanistan fordert gründliche Überlegungen. Annalena Baerbock, die grüne Bundesaußenministerin, hat nach anfänglichen Bedenken jetzt erklärt, Abschiebungen seien aufgrund des dort herrschenden “islamistischen Terrorregimes”, zu dem Deutschland keine diplomatischen Beziehungen unterhält, nicht durchführbar. Dies deutet auf ein Umdenken in ihrer Argumentation hin, nachdem klar wurde, dass das Wohl der Betroffenen allein nicht stets ausreicht, um gegen Abschiebungen zu argumentieren.
Andererseits sehen wir Kontroversen bei der Visa-Vergabe deutscher Botschaften. Baerbock warnte, dass aus Afghanistan die Planung neuer Terroranschläge drohe. Bedenklich ist besonders, dass manche Personen mit zweifelhafter Identität Einlass nach Deutschland finden, was potenziell riskanter scheint als das Zurücksenden von Straftätern nach Afghanistan.
Die Befürworter von Ministerin Baerbock argumentieren vehement gegen Abschiebungen nach Afghanistan, unter Berufung auf die prekäre Situation vor Ort. Diese Argumentation wird allerdings nicht auf ukrainische männliche Flüchtlinge in Deutschland angewendet, deren Situation ebenfalls kritisch ist. So berichtete kürzlich das hessische Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales auf eine AfD-Anfrage zu “wehrfähigen ukrainischen Männern”, dass diesen weiterhin temporärer Schutz gewährt wird – ein Schutzstatus, der bundesweit gilt.
“Hessische Ausländerbehörden werden ukrainischen Männern im wehrfähigen Alter grundsätzlich keine deutschen Ersatzreiseausweise ausstellen. Es ist ihnen zumutbar, zur Passbeschaffung in die Ukraine zu reisen und der Wehrpflicht nachzukommen.”
Diese Entscheidung hat bislang keine großen Proteste seitens der Grünen ausgelöst. Dabei bedeutet dies im Klartext: Viele dieser Männer müssen möglicherweise in die Ukraine zurück, wo sie sofort in die Armee eingezogen werden könnten. Angesichts der realen Gefahren und der hohen Summen, die für eine Flucht aus der Ukraine gezahlt werden müssen, kommt diese Politik einer Lebensgefährdung gleich.
Viele dieser Männer, die aufgrund eines abgelaufenen Passes zurückgeschickt werden könnten, stehen potenziell vor dem Tod. Die Passivität jener Gruppen, die sonst lautstark die Abschiebung afghanischer Straftäter bekämpfen, steht in krassem Widerspruch zu ihrem üblichen Einsatz für Humanität.
Die Entscheidung aus Hessen könnte zirka 1.500 wehrfähige Männer jährlich betreffen, die zurück in die Ukraine müssten, wo sie möglicherweise direkt an die Front geschickt werden. Die echte Anzahl der Betroffenen in Deutschland könnte wesentlich höher sein.
Die Handhabung dieses Themas zeigt, wie selektiv die Argumentation im Hinblick auf Menschenrechte und Schutzbedürftigkeit sein kann, und wie geopolitische Interessen oft über den individuellen Menschenrechten stehen. Dies verdeutlicht eine ernüchternde Diskrepanz zwischen behaupteter Moral und tatsächlichem Handeln.
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