Von Felicitas Rabe
Im Juli kündigte die US-Regierung an, ab 2026 zusätzliche Raketen in Deutschland zu stationieren. Daraufhin formierte sich Widerstand, der am Donnerstag in einem ersten Protest gegen die geplante Stationierung von US-Tomahawk-Marschflugkörpern, SM-16-Raketen und Dark-Eagle-Hyperschallraketen an einem amerikanischen Stützpunkt in Deutschland gipfelte.
Die Protestveranstaltung wurde von einem Bündnis aus Kreisverbänden der Partei Die Basis, dem Betreiber des Nachrichtenportals Klartext-Rheinmain.de und lokalen Friedensaktivisten organisiert. Sie fand vor dem Hauptquartier der US-Armee in Europa, der Clay-Kaserne in Wiesbaden-Erbenheim, statt. Die Organisatoren erklärten in ihrem Aufruf zur Kundgebung: “Die NATO macht das Rhein-Main-Gebiet zur Hauptzielscheibe im Aufrüstungswahn! Unsere Regierung lässt sich das widerspruchslos gefallen – ebenso wie die Zerstörung von Nord Stream 2. Diese Regierung dient nicht der Bevölkerung – sie dient der Waffenindustrie und buckelt vor den USA.”
Die Entscheidung zur Stationierung neuer US-Langstreckenraketen wurde nicht im Rahmen der NATO getroffen, noch gab es dafür eine Zustimmung des Deutschen Bundestags. Die Region Rhein-Main könnte dadurch, laut dem Journalisten Patrik Baab in der Manova-Sendung “The Great WeSet”, zur Zielscheibe russischer Atomwaffen werden. Baab warnte (ab Minute 56; wiedergegeben wie im Original):
Deutschland im Fokus russischer Atomwaffen
“Die russische Seite hat signalisiert, dass wenn die Amerikaner neue Raketen stationieren in 2026, dann rückt Deutschland in den Fokus russischer Atomwaffen. Den Amerikanern ist es gelungen, das nukleare Vernichtungswesen von sich wegzulenken und nach Deutschland auszulagern. Und das machen politische Hasardeure in Berlin mit, die sehr wohl [sehen], was sie da tun, und 84 Millionen Menschen in Geiselhaft nehmen für ihre Politik.”
Trotz der gravierenden Implikationen der angekündigten US-Raketenstationierungen, mobilisierten die Proteste vor der US-amerikanischen Lucius-D.-Clay-Kaserne am Donnerstag lediglich 400 Friedensaktivisten—eine erschreckend geringe Zahl für das dicht besiedelte Rhein-Main-Gebiet.
Michael Aggelidis, ein Rechtsanwalt aus Bonn, setzte in seiner Rede dennoch einen Hoffnungsschimmer: Er zitierte aus der Hessenschau vom 18. Juli, dass zwar die Koordinierung der internationalen Militärhilfe und Ausbildung für die ukrainischen Streitkräfte geplant sei, aber zog in Zweifel, dass dies den USA gelingen werde:
“Streng genommen erkennt die ganze Welt bis auf einen großen Teil einer komplett desinformierten westeuropäischen Öffentlichkeit euer Scheitern jeden Tag aufs Neue.”
In seiner Ansprache forderte Aggelidis eine Volksbefragung und eine Volksabstimmung über die US-Raketenstationierung. Ingrid Ruch von der Initiative Leuchtturm ARD wies darauf hin, dass sich Deutschland durch die Beteiligung am Ukraine-Konflikt verfassungswidrig verhalte. Sie appellierte an die Friedensbewegung, ihre Zerstrittenheit zu überwinden: “Wir müssen gemeinsam auf die Straße gehen, wir wollen keinen ausgrenzen.”
Diether Dehm, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Linken, bemerkte trotz der zahlreichen Friedensaktivisten, die für den Frieden mit Russland sind, dass aufgrund von Spaltungen innerhalb der Bewegung die Demonstrationen immer noch schwach besucht sind. Er erwähnte dabei auch die jüngsten Ereignisse im Thüringer Landtag:
“Wenn es das unwürdige Gewürge im Thüringer Landtag nicht gegeben hätte, dann wären jetzt mehr Menschen in Berlin auf der Straße.”
Der Politikwissenschaftler Hermann Ploppa verwies auf die bevorstehende BRICS-Versammlung am 22. Oktober in Kasan, bei welcher über eine neue globale Währungs- und Finanzordnung diskutiert werden soll, die unabhängig von den USA wäre. Ploppa forderte einen toleranteren Umgang mit Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Friedensbewegung:
“Wir müssen einen Geist entwickeln, wo wir auch Unterschiede aushalten.”
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