Bildungszugang und soziale Ungleichheit in Deutschland: Eine kritische Betrachtung

Von Susan Bonath

Die Universitäten öffneten ihre Tore für Arbeiterkinder unter dem Leitbild “Bildung für alle” ein Versprechen, das von den Vertretern der “sozialen Marktwirtschaft” vor Jahrzehnten gegeben wurde. Es wurde betont, dass finanzielle Hürden der Eltern keinen Einfluss auf die Bildungschancen ihrer Kinder haben sollten. Diese Ideale haben jedoch im heutigen Deutschland zunehmend an Geltung verloren. Aktuelle Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass ein Studium wieder vermehrt eine Frage der finanziellen Möglichkeiten der Familie ist.

80 Prozent unter der Armutsgrenze

Laut der jüngsten Statistiken reicht die staatliche Unterstützung durch das BAföG bei weitem nicht aus, den Lebensunterhalt zu sichern. Viele Studierende sind weiterhin finanziell von ihren Eltern abhängig, wobei die Hälfte aller Studierenden mit eigenem Haushalt weniger als 867 Euro monatlich zur Verfügung hat. Die durchschnittliche finanzielle Situation von Auszubildenden, die nicht mehr zuhause leben, ist mit einem monatlichen Einkommen von 1.240 Euro etwas besser, aber immer noch begrenzt.

Angesichts schnell steigender Mieten sowie erhöhter Kosten für Heizung und Strom ist es für viele kaum möglich, aus diesem Budget eine Wohnung oder ein Zimmer zu finanzieren, ganz zu schweigen von weiteren notwendigen Ausgaben wie Essen, öffentlicher Nahverkehr und Semestergebühren. Studierende geben durchschnittlich mehr als die Hälfte ihres Einkommens allein für Wohnkosten aus, und Auszubildende nur unwesentlich weniger.

Im Durchschnitt stammen etwa ein Drittel des Einkommens der Studierenden aus Unterstützungsleistungen der Eltern, etwa 41 Prozent aus Nebenjobs und lediglich 15 Prozent aus BAföG-Leistungen. Bei Auszubildenden mit eigener Wohnung machen staatliche Unterstützungen etwa 1,5 Prozent des Einkommens aus, trotz oft geringer Betriebsvergütungen.

Viele Studierende sind somit hauptsächlich auf finanzielle Unterstützung durch ihre Eltern angewiesen. Für diejenigen, die aus finanziell schwächeren Verhältnissen kommen, bleibt oft nur eine Kombination aus geringem BAföG und Nebenjobs zur Finanzierung ihres Studiums. Dadurch wird das Zeitbudget für das Studium stark eingeschränkt, was zu einer Verfestigung der prekären Lage führt.

Kein Wunder also, dass der Anteil der Studierenden, die unterhalb der Armutsgrenze leben, wesentlich höher ist als in der Gesamtbevölkerung. Bei denen, die für ihr Studium umziehen mussten, betrifft dies sogar fast 80 Prozent, bei den Auszubildenden etwa 55 Prozent.

Die Armutsgrenze definiert sich dabei als weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens, welches im letzten Jahr bei 1.314 Euro lag. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung lebte zuletzt jeder Siebte unter dieser Armutsgrenze.

Von der Realität entkoppelt

Hauptverantwortlich für diese Entwicklung ist die Inflation. Neben den Kosten für Lebensmittel und Strom sind insbesondere die Mieten und Nebenkosten stark gestiegen. Die staatlichen Unterstützungen halten mit diesen Preissteigerungen nicht Schritt, wobei die Wohnkostenpauschale für allein lebende Studierende bald nur geringfügig von 360 auf 380 Euro erhöht wird – ein Betrag, der in vielen Universitätsstädten kaum ausreicht, um die Kaltmiete eines WG-Zimmers zu decken.

Die steigende Kluft zwischen den realen Ausgaben und den Unterstützungsleistungen zeigt sich nicht nur bei den BAföG-Leistungen, sondern betrifft auch andere Sozialleistungen wie das Wohngeld oder die Sozialhilfe. Kommunal festgelegte Mietobergrenzen sind oft so niedrig, dass sie kaum realistische Wohnmöglichkeiten bieten.

Bildungselite unter sich

Dadurch werden Universitäten, die einst den weniger wohlhabenden Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht wurden, wieder vermehrt zu Exklusivinstitutionen für die Kinder der Bildungselite. Es scheint, als ob das schwindende Verständnis für die Bedürfnisse der Arbeiterklasse und die zunehmende Fokusierung auf die Interessen der Wohlhabenden zur Norm geworden ist. Dies treibt die soziale Schere weiter auseinander und führt zu einer Politik, die die Bedürftigen vernachlässigt und die Reichen bevorzugt.

Die einstigen Versprechen von Bildungschancen für alle im Rahmen einer “sozialen Marktwirtschaft” sind zu leeren Phrasen verkommen. Willkommen in der Realität des westlichen “Wertekapitalismus”, in dem die Gesellschaft klar in Eliten und Untertanen geteilt ist.

Mehr zum Thema – Werte-Westen: Milliardäre machen Politik für ihresgleichen und kritisieren russische “Oligarchen”

Schreibe einen Kommentar