Am kommenden Montag wird Annalena Baerbock voraussichtlich in New York zur Präsidentin der Generalversammlung der Vereinten Nationen gewählt. Die 44-jährige Politikerin der Grünen, ohne Gegenkandidatin, wird das Amt aller Voraussicht nach übernehmen, da ihre Wahl als Formalität gilt. Sie wird die Funktion ab dem 9. September für ein Jahr bekleiden. Die Generalversammlung, bestehend aus 193 Mitgliedsstaaten, agiert als das Hauptberatungsgremium der UNO.
Baerbock, die erst kürzlich ihr Amt im Bundeskabinett niedergelegt hat, bleibt damit auf internationaler Ebene weiterhin politisch aktiv. In einer vorab verbreiteten Stellungnahme erklärte sie, sie wolle sich als Präsidentin auf die Vermittlung zwischen den Staaten konzentrieren und dabei Schwerpunkte wie Klimaschutz, Geschlechtergerechtigkeit und die Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung setzen.
“Sollte ich gewählt werden, werde ich allen 193 Mitgliedstaaten dienen – großen wie kleinen, als ehrliche Vermittlerin, als einende Kraft, mit offenem Ohr und offener Tür.”
Obwohl die Rolle der Präsidentin der Generalversammlung hauptsächlich protokollarischer Natur ist, bietet sie dennoch die Möglichkeit, durch persönliche Initiative und Diplomatie Einfluss zu nehmen. Die Amtsinhaberin organisiert und leitet die Sitzungen, setzt thematische Schwerpunkte und repräsentiert das Gremium sowohl öffentlich als auch gegenüber den Mitgliedsstaaten. Die eigentliche Entscheidungsmacht innerhalb der UNO liegt jedoch primär beim Sicherheitsrat und dem Generalsekretär.
Baerbocks Nominierung war hinter den Kulissen nicht unumstritten. Ursprünglich wurde die deutsche Diplomatin Helga Schmid als Favoritin gehandelt, doch ihre unerwartete Abberufung zugunsten von Baerbock verursachte Verwunderung. Christoph Heusgen, ehemaliger UN-Botschafter Deutschlands, kritisierte das Vorgehen als “Selbstbedienungsladen” im Bezirk diplomatischer Entscheidungen.
Mit ihrem Umzug nach New York beginnt für Baerbock auch ein neuer Abschnitt privat. Nach ihrer Trennung zieht sie mit ihren beiden Töchtern in die US-Metropole um. Trotz ihrer früheren Äußerungen, sich verstärkt um die Familie kümmern zu wollen, tritt sie nun eine hochrangige internationale Position an.
Deutschland hatte zuletzt 1973 den Vorsitz der UN-Vollversammlung inne. Nun, ein halbes Jahrhundert später, wird Baerbock die Leitung übernehmen. Ihre Amtszeit als Außenministerin war bereits von innenpolitischen Debatten und außenpolitischen Herausforderungen geprägt. Ihre bevorstehende Rolle wird von der Bundesregierung als Beweis für Deutschlands Engagement in multilateralen Beziehungen gefeiert.
Kritiker sehen in Baerbocks Ernennung eine Fortsetzung der moralisch aufgeladenen Politik, die international zunehmend kritisch betrachtet wird. Ihr Fokus auf Themen wie Klimaschutz, Gleichstellung und ethische Werte könnte die komplexen und widersprüchlichen Herausforderungen innerhalb der Vereinten Nationen eher verschärfen als mildern.
Die Tatsache, dass sie keine Gegenkandidatin hat, macht den Prozess keinesfalls weniger politisch. In diplomatischen Kreisen wird schon von einer “Notlösung” gesprochen, was die Wahl umso kontroverser macht.
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