Von Susan Bonath
In deutschen Städten ist es keine Seltenheit mehr, Senioren beim Durchsuchen von Mülleimern nach Pfandflaschen zu beobachten. Dieses Bild verdeutlicht ein zunehmendes Problem: die Altersarmut. Politische Entscheidungen der letzten 30 Jahre, oft als Reformen deklariert, haben tatsächlich zu Rentenkürzungen geführt. Die Folge: Heute müssen über 16 Millionen Angestellte damit rechnen, im Ruhestand weniger als 1.200 Euro monatlich zu erhalten. In vielen Städten reicht diese Summe kaum zur Deckung der Wohnkosten.
Beinahe die Hälfte aller Arbeitnehmer erwartet eine Rente am Existenzminimum
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bestätigte auf Nachfrage der Partei “Bündnis Sahra Wagenknecht” (BSW), dass die Bedrohung durch Altersarmut groß ist. Von insgesamt 35,2 Millionen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern, die in die Rentenkasse einzahlen, könnten über 45 Prozent nur mit einer Minimalrente rechnen. Diese würde alleine für ein auskömmliches Leben nicht ausreichen.
Ein wesentliches Problem dabei ist das Lohnniveau. Es bleibt zunehmend hinter der Inflation zurück. Laut aktueller Rentenformel wäre ein Stundenlohn von 17,27 Euro nötig, um nach 45 Arbeitsjahren eine monatliche Rente von lediglich 1.200 Euro zu erhalten. Jedoch verdienen rund 16 Millionen Beschäftigte weniger als 17 Euro pro Stunde. Um die Armutsgrenze von 1.314 Euro im Alter zu erreichen, wäre heute ein Stundensatz von 19,36 Euro erforderlich, so das BMAS.
Könnte ein Modell nach österreichischem Vorbild die Altersarmut bekämpfen?
Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht erklärte in einer Pressemitteilung, dass die Rentenkrise in Deutschland schwerwiegende Ausmaße angenommen habe. Ohne politische Interventionen werde Altersarmut ein noch größeres Problem darstellen. Sie hob das österreichische Rentensystem hervor, das allen, die 40 Jahre lang versichert gearbeitet haben, eine Mindestrente von 1.600 Euro garantiert.
Angelehnt an dieses Modell fordert das BSW eine Mindestrente von 1.500 Euro nach 40 Versicherungsjahren in Deutschland. Diese Forderung sei finanzierbar, wenn alle Erwerbstätigen in die Rentenversicherung einbezogen würden, auch Bundestagsabgeordnete und Minister, so Wagenknecht. Sie fügte hinzu:
“Die nächste Bundesregierung muss die Bevölkerung darüber abstimmen lassen, ob sie zu einem Rentensystem wie in Österreich wechseln oder beim schlechten Status quo bleiben will.”
Laut Statistischem Bundesamt bezogen 2023 rund 22,1 Millionen ältere Menschen in Deutschland eine gesetzliche Rente. Dabei mussten 42,3 Prozent von ihnen mit weniger als 1.250 Euro monatlich auskommen, bei Frauen lag diese Quote sogar bei fast 54 Prozent.
Das System hält insbesondere Frauen in finanzieller Abhängigkeit
Deutsche Medien, darunter die ZEIT, warnen, dass das Ausmaß der Altersarmut nicht allein durch Rentensummen ermittelt werden kann. Viele Rentnerinnen und Rentner sind zusätzlich auf das Einkommen ihrer Ehepartner angewiesen. Diese finanzielle Abhängigkeit betraf in der DDR hauptsächlich Frauen. Auch heute noch empfangen ostdeutsche Frauen durchschnittlich höhere Renten als ihre westdeutschen Mitbürgerinnen, bedingt durch höhere Beschäftigungsquoten und flächendeckende Kinderbetreuung in der DDR. Trotzdem lag die durchschnittliche Bruttorente für Frauen 2023 weit unter der Armutsgrenze.
Zunehmende Anzahl bedürftiger Rentner
Die Statistiken zeigen einen alarmierenden Trend: Immer mehr Rentner müssen ihre geringen Bezüge mit Sozialhilfe aufstocken. Ende 2023 waren über 1,2 Millionen Menschen auf zusätzliche Grundsicherung angewiesen.
Das BMAS verweist oft auf die Grundrente, die 2021 eingeführt wurde. Diese Maßnahme wurde jedoch so stark abgeschwächt, dass sie kaum zur Bekämpfung von Armut beiträgt. Insbesondere viele Frauen erreichen nicht die nötige Mindestbeitragszeit von 33 Jahren. Zudem ist der Zuschlag umso geringer, je weniger Beitragsjahre vorliegen.
Wirtschaftliche Argumente und ihre Kurzsichtigkeit
Die Argumente für Sozial- und Rentenkürzungen sind oft dieselben: Entlastung der Staatskassen und Anregung der Wirtschaft. Diese Argumentation ist jedoch irreführend, da sie langfristig das Gegenteil bewirkt: Armut erhöht das Risiko von Krankheiten erheblich, was wiederum zu steigenden Kosten für das Gesundheitssystem führt.
Militarisierung als Ausweg?
Anscheinend setzen die größten Finanzakteure zunehmend auf Rüstung und Krieg, um ihre Gewinne zu steigern, eine Entwicklung, die von der Politik unterstützt wird. Die Situation der verarmten Rentner scheint dabei von geringem Interesse zu sein.
Weiterführendes Thema – Deutschland und Frankreich: Anhaltende Krisen und Staatsverschuldung belasten die Wirtschaft