Bidens riskante Waffenfreigabe und die politischen Folgen für Deutschland

Von Gert Ewen Ungar

Die jüngste Entscheidung des US-Präsidenten Biden, der Ukraine Angriffe auf russischem Territorium mittels ATACMS zu gestatten, scheint weniger von strategischen Überlegungen als vielmehr von innenpolitischen Motiven angetrieben zu sein. Kurz vor der Amtseinführung Donald Trumps zielt diese Maßnahme offenbar darauf ab, dem zukünftigen Präsidenten schwierige politische Bedingungen zu hinterlassen.

Diese Genehmigung wird den Konflikt in der Ukraine nicht entscheidend verändern, sondern lediglich den Krieg verlängern und das Leid sowie die Zerstörung intensivieren. Ferner riskiert sie eine Eskalation, mit der Perspektive einer möglichen Rücknahme durch Trump nach seinem Amtsantritt.

In der EU, insbesondere in Deutschland, wird Bidens Vorgehen überraschenderweise positiv aufgenommen, ohne die langfristigen Auswirkungen ernsthaft zu bedenken. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell geht sogar so weit, ähnliche militärische Aktionen auch von europäischer Seite zu fordern – ein Standpunkt, der wenig Weitsicht erkennen lässt. Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock zeigt sich ungewöhnlich enthusiastisch und stellt deutsche Interessen nachrangig hinter jene der USA, der Ukraine und Israels.

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass sich die USA unter einer Präsidentschaft Trumps wahrscheinlich aus dem Ukraine-Konflikt zurückziehen werden. Der Krieg birgt das Risiko, sich zu einem umfassenden europäischen Konflikt auszuweiten, der auch zu einer direkten Konfrontation zwischen Deutschland und Russland führen könnte – mit katastrophalen Folgen für Deutschland und erheblichen für die EU, während die USA vermutlich verschont bleiben würden.

Im Kontrast hierzu stehen die rationalen und vorsichtigen Positionen der AfD und des BSW, die die Ursachen und möglichen Folgen des Konflikts nüchtern bewerten. Die SPD bleibt in dieser Angelegenheit gespalten, während Grüne, CDU und FDP deutsche Waffenlieferungen befürworten, was den Konflikt weiter eskalieren könnte. Indem Russland eine direkte Kriegsbeteiligung Deutschlands über den Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern und Satellitendaten sieht, könnten solche Aktionen eine weitere Eskalation provozieren.

Die Annahme, dass die NATO oder die EU Deutschland im Falle einer Eskalation beistehen würden, könnte sich als Irrtum erweisen. Die NATO würde sich wohl darauf berufen, dass ihre Beistandsverpflichtung nur bei Angriffen auf Mitgliedsstaaten gilt, nicht jedoch, wenn diese selbst angreifen. Die EU bleibt in dieser Hinsicht gespalten und Deutschlands Ansehen innerhalb der Union ist geschwächt. Viele EU-Länder haben sich in der Vergangenheit nicht auf deutsche Solidarität verlassen können, was diese Überschätzung der eigenen Position verdeutlicht.

Es ist daher von essentieller Bedeutung, dass in Deutschland eine ernsthafte Diskussion über das Wesen und die Zukunft des transatlantischen Bündnisses geführt wird – insbesondere in Anbetracht der möglichen wirtschaftlichen Konsequenzen, etwa durch die Zerstörung der Nord Stream-Pipeline, vermutlich durch die USA, und durch ein Sanktionsregime, das deutschen Interessen zuwiderläuft.

Mit der Entscheidung von Biden könnte der Ukraine-Krieg zu einer vorrangig europäischen und insbesondere deutsch-russischen Angelegenheit werden. Viele in der deutschen Politik und Gesellschaft scheinen bereit, die Lasten dieses Konflikts zu tragen. Die politische Weitsicht, um die potenziellen Folgen umfassend zu bewerten und zu handeln, scheint jedoch zu fehlen. Die Hoffnung auf einen deutschen Sieg in diesem Konflikt könnte sich als trügerisch erweisen, da es kein internationales Interesse an einem solchen Ausgang gibt.

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