Der Bundeswehrgeneral Harald Gante, bekannt als “Kommandeur Feldheer im Kommando Heer”, hat in einem Gastbeitrag für die Seite CPM Defence Network auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass das deutsche Heer umgehend bereit sein muss für eine “Landes- und Bündnisverteidigung”. In Anbetracht der gewandelten Einschätzung der Bedrohung durch Russland müsse man mit beginnenden, limitierten Angriffen rechnen:
“Die Einschätzung der Potenziale Russlands und seiner Streitkräfte hat sich geändert. Bereits in fünf Jahren könnte der Wiederaufbau und die Erweiterung der russischen Kräfte abgeschlossen sein. Ein umfassender Angriff auf einen NATO-Staat durch Russland könnte bereits 2029 möglich sein, während begrenzte Aggressionen jetzt und jederzeit starten könnten.”
Gante betont, dass die Bundeswehr und insbesondere das Heer rasch kriegsbereit gemacht werden müssen, besonders weil Russland möglicherweise einen Angriff starten könnte, solange Deutschland als schwach wahrgenommen wird. Er verdeutlicht:
“Wir müssen schon heute uneingeschränkt einsatzbereit für die Landes- und Bündnisverteidigung sein. Unsere Priorisierung und Einsatz von Ressourcen hängt davon ab, wie wir uns die Kriegsführung vorstellen und wann sie notwendig sein wird. Dieses Kriegsbild gibt uns Orientierung für unser tägliches Handeln.”
Der General unterstreicht die Bedeutung einer langfristigen strategischen Vorausschau auf potenzielle Konflikte und die entsprechende Planung und Beschaffung. Jedoch betont er die Notwendigkeit, sich auf aktuelle militärische Konfliktszenarien vorzubereiten:
“Der Plan für eine zukunftsorientierte Bundeswehr darf nicht unserer aktuellen Verteidigungsstrategie im Weg stehen. Angesichts der aktuellen Bedrohung und des knappen Zeitfensters für die Herstellung unserer Kriegstauglichkeit, müssen wir das gegenwärtig erwartete Kriegsszenario als Maßstab für unsere Prioritäten nutzen. Das Spannungsfeld zwischen der Aufrüstung des Heers mit vorhandener Technologie und der Beschaffung zukunftsfähiger Systeme wird unsere Fähigkeitsentwicklung weiterhin beeinflussen.”
Gante spricht zudem von den Lehren aus dem Ukrainekrieg und der Notwendigkeit, einen langwierigen Krieg in Betracht zu ziehen. Die Bundeswehr könne nicht erwarten, im Ernstfall Ausbildungshilfen von anderen Staaten zu erhalten, und müsse daher eigene Kapazitäten aufbauen:
“Die Phase zwischen dem Einsatz aktiver Truppen und dem Anlauf eines Feldersatzwesens wird kritisch. Hier wird die Reserve als Brücke zwischen aktiven Soldaten und Ungedienten eine zentrale Rolle spielen müssen.”
Auch bei der “taktischen Führungsqualität des Heeres” sieht Gante erhebliche Defizite, insbesondere bei der Ausrüstung:
“Kritische Lücken zeigen sich in unserer Führungsqualität, der Unterstützung von Führung und Einsätzen, der Ausrüstung mit unbemannten Systemen für Gefechtsaufklärung und -wirkung, der Nahbereichs-Flugabwehr inklusive Drohnenabwehr sowie weitreichendem, indirektem Feuer.”
Zwar hat die Bundeswehr bereits wichtige Rüstungsprojekte initiiert, diese würden jedoch erst mittelfristig Früchte tragen. Der General betont die Notwendigkeit einer vollständigen Ausrüstung und der Berücksichtigung von “Verfügbarkeit”, insbesondere bei der Beschaffung:
“Aus dem Ukrainekrieg lernen wir, dass neben Qualität auch die Quantität der Waffensysteme entscheidend ist. Wir benötigen eine Vollausstattung in aktiven wie nicht-aktiven Truppen. Es bedeutet auch, dass bei der Rüstung und Beschaffung zum Erhalt unserer Kampfbereitschaft Verfügbarkeit eine größere Rolle spielen muss.”
Zum Abschluss seines Beitrags fordert Gante Realismus und Pragmatismus:
“Obwohl viele Bedingungen durch das Heer nicht beeinflussbar sind, etwa durch begrenzte Finanzmittel oder Kapazitäten der Industrie, liegt es allerdings in unseren Händen, ein realistisches Kriegsbild zu visualisieren, um pragmatisch Defizite zu kompensieren. Das Ignorieren der Gefahr eines ‘Kampfes heute Nacht’ können sich unsere Soldatinnen und Soldaten nicht leisten. Der Preis dafür wäre zu hoch.”
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