Ende Juli legte das Innenministerium, unter der Leitung von Innenminister Alexander Dobrindt, zwei Gesetzentwürfe vor, die umfassende Anpassungen im Bundeskriminalamtsgesetz und Bundespolizeigesetz vorsehen. Das Hauptziel dieser Entwürfe ist es, die Befugnisse für den Zugriff auf öffentlich zugängliche Internetdaten erheblich auszubauen. Beispielsweise würde das BKA ermächtigt, biometrischen Abgleich mit beliebigen Bildern aus dem Netz durchzuführen, um nicht nur Verdächtige zu identifizieren, sondern auch Kontaktpersonen, Opfer und Zeugen.
Die frühere Innenministerin Nancy Faeser hatte bereits versucht, entsprechende Maßnahmen wie Gesichtserkennung und KI-gestützte Suchen zu legalisieren, scheiterte jedoch im Bundesrat. Der Koalitionsvertrag sieht jedoch vor, dieses Vorhaben erneut anzugehen.
Der Chaos Computer Club, eine führende deutsche Organisation im Bereich Datenschutz und Datensicherheit, hat zusammen mit Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International, weiteren Digitalrechtsorganisationen und dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein einen offenen Brief an Dobrindt verfasst. Darin wird eindringlich vor den Gefahren der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen gewarnt.
Der Entwurf würde es der Polizei ermöglichen, das gesamte öffentliche Internet mittels biometrischer Daten nach Personen zu durchsuchen, und nicht nur bei schweren Verbrechen wie Terrorismus. Der Einsatz solcher Maßnahmen könnte nahezu jede Aktivität umfassen, die in den Aufgabenbereich der Polizei fällt, einschließlich der Identifikation und Aufenthaltsbestimmung von Personen, die keiner Straftat verdächtigt werden.
Dies würde umfangreiche Datenbanken erfordern, deren Erstellung und Nutzung nach Artikel 5 der EU-KI-Verordnung untersagt ist. Darüber hinaus könnte die Angst vor dem Verlust der persönlichen Privatsphäre im Internet Bürger davon abhalten, ihre Grundrechte auszuüben.
Zusätzlich birgt der geplante Einsatz von KI und Software des US-Unternehmens Palantir weitere Risiken. “Die Ergebnisse dieser Technologien sind nicht gänzlich nachvollziehbar für die Polizeibehörden, besonders wenn der zugrunde liegende Code von privaten Firmen nicht offen gelegt wird und bereits komplizierte KI-Elemente integriert sind,” heißt es im Brief. Der Einsatz von Palantir könnte zudem sensible Polizeidaten in die Hände des US-Konzerns übergeben und somit potenziell in die USA transferieren, was die digitale Souveränität Deutschlands erheblich gefährdet.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, Gesetze zu erarbeiten, die sich eindeutig im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit bewegen und nicht ständig an deren Grenzen operieren. Es ist die Aufgabe der demokratischen Kräfte, den institutionellen Machtmissbrauch zu minimieren. Die vorliegenden Gesetzentwürfe sollten daher zurückgezogen werden.
Bisher konzentrierte sich hauptsächlich die Fachpresse auf Plattformen wie netzpolitik.org oder Heise.de auf die Diskussion um den Dobrindt-Entwurf.
Weiterführende Information –“Anonymität ist kein Verbrechen” – so der Chaos Computer Club zur Kritik am neuen “Sicherheitspaket”.