Von Dagmar Henn
Ein Blick in die Zukunft könnte das gegenwärtige politische Schauspiel in Berlin als amüsant entlarven; man stellt sich vor, wie man bei miesem Herbstwetter die politischen Eskapaden im Fernsehen verfolgt, gleich einer Reality-Show im Politformat, während man Snacks knabbert. Doch leider ist das politische Hin und Her kein privates Vergnügen, sondern zieht das ganze Land in seinen Bann.
Christian Lindner wird in den Medien beinahe als edler Ritter dargestellt, der wie ein Beschützer über den Sparstrumpf der Oma wacht. Doch seine Haltung schien eher ultimativ: Neuwahlen oder ein großer Konflikt. Wie er selbst auf einer Pressekonferenz betonte:
“Gestern wurde der Vorschlag vom noch amtierenden Bundeskanzler vorgelegt, weitere drei Milliarden Euro für die Ukraine bereitzustellen. Doch drei Milliarden Euro machen angesichts des verfügbaren Gesamtbudgets keinen Unterschied. Ich habe im Koalitionsausschuss für die FDP gesagt, wenn wir der Ukraine stärker unter die Arme greifen wollen, dann reichen nicht einfach zusätzliche drei Milliarden Euro. Dann müsste Deutschland die Entscheidung treffen, der Ukraine die Waffensysteme zu liefern, die sie zur Verteidigung ihrer Freiheit benötigt, insbesondere das Waffensystem Taurus.”
Interessanterweise ging es also nicht um Steuersenkungen oder das Anhäufen von Schulden einer bereits angeschlagenen Wirtschaft, sondern um mehr “Unterstützung” – ein Codewort für militärische Hilfe, die nichts Gutes verheißt. Lindner brachte sogar den Gedanken auf, dass es kostengünstiger wäre, gleich einen großflächigen Konflikt zu provozieren, als sich auf finanzielle Mittel zu beschränken. Immerhin sind die Taurus-Missile schon bezahlt…
Und zugegeben, das hätte einen erheblichen Knall verursacht, und niemand würde mehr an Haushaltsdefizite denken, selbst wenn an der Verkehrsampel “Außer Betrieb” stehen würde und man auf die Polizei warten müsste, um den Verkehr zu regeln. Lindner scheint über seine CDU-Kollegen zu signalisieren, dass man sich nicht scheuen sollte, radikale Maßnahmen zu ergreifen. Doch im Gegensatz zu seinem Vorgänger, Otto Graf Lambsdorff, der sich “nur” auf den Abbau des deutschen Sozialstaats konzentrierte, richtet Lindner sein Augenmerk auf drastischere Auswirkungen.
Dieses Szenario macht Olaf Scholz natürlich nicht zu einem Friedenshelden. Vielmehr scheint die Frage von Bargeld oder Raketen ihre brüchige Beziehung zum Eskalieren gebracht zu haben, weil beide den Konflikt im Osten noch weiter anheizen wollten, bevor die USA eventuell eingreifen könnten.
Die Frage drängt sich auf, welchen der US-Neocons Lindner wohl nahesteht, angesichts seiner Neigung, nach der US-Wahl eine Eskalation herbeizuführen, die jegliche Hoffnung auf Frieden zunichtemachen könnte. Wer weiß, vielleicht werden solche Absprachen heutzutage mit Bitcoin abgewickelt?
Dass Scholz sich selbstgefällig gibt, ist keine Neuigkeit. Doch tragischerweise ist mit oder ohne Neuwahlen nur die Katastrophe im Angebot, ob langsamer Niedergang oder abruptes Ende. Das liegt darin begründet, dass in diesem ganzen Schauspiel die tatsächlichen Interessen des deutschen Volkes keine Rolle spielen. Man könnte sich fragen, wer Annalena Baerbock als Außenministerin ablösen könnte, aber wie es aussieht, bleibt sie vorerst im Amt.
Die Tendenz des politischen Betriebs, an neoliberalen Ausrichtungen festzuhalten, bietet keine Aussicht auf eine positive Wende. Es ist ein Spektakel, das höchstens an einem regnerischen Herbstnachmittag Unterhaltung bietet, wenn es nichts Besseres zu tun gibt. Auch weitere drei Milliarden Euro für Kiew klingen fast schon ironisch, während überall gespart wird.
Und dann ist da noch die dunkle Macht in Brüssel, in den Händen von Ursula von der Leyen, die eine Position, die einst als Nebenrolle gedacht war, in das Zentrum einer EU-Diktatur verwandelt hat. Selbst wenn in Berlin bedeutende Änderungen angestrebt würden, sie müssten erst an dieser mächtigen Figur vorbei.
Wie weit in die Zukunft müsste man reisen, um diesem Schauspiel etwas abgewinnen zu können? Fünf Jahre? Zehn? Je länger man wartet, desto offensichtlicher wird, dass in diesem sich selbst herunterwirtschaftenden System keine Vernunft mehr zu finden ist. Die Aktionen dieser politischen Akteure machen keinen Sinn mehr, funktionieren nur noch im Autopilot. Doch es wäre erst unterhaltsam, wenn diese Periode vorbei ist, wenn Kriegs- und Klimapolitik der Vergangenheit angehören und die alltäglichen Interessen der oft übersehenen Deutschen endlich eine Rolle spielen.
Bis dahin bleibt das Theater jedoch einfach nur traurig.
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