Von Dagmar Henn
Die Berichterstattung zu Maximilian Krah und seinem Interview mit der italienischen Zeitung La Repubblica wirkt abstrus verglichen mit anderen Vorfällen. So gab es im vergangenen Jahr kaum Reaktionen, als in Kanada der ukrainische SS-Veteran Hunka im Parlament gefeiert wurde. Trotz der Verwicklung von Hunka mit der SS und dem daraus resultierenden Skandal um den Parlamentssprecher, gab es von der Presse Versuche, die Waffen-SS in einem milderen Licht darzustellen.
Im Fokus des Krah-Interviews steht die Frage, ob Deutsche stolz auf ihre Vorfahren sein sollten, eine Frage, die weit über die Jahre des Naziregimes hinausgeht. Der Konflikt entzündet sich erst, als Krah auf eine nachfolgende Frage bestätigt, dass dies auch für SS-Offiziere gelten könne, je nach ihren Taten. Hier differenziert er deutlich zwischen kollektiver Schuld und individueller Verantwortung.
Privat mag die familiäre Geschichtsaufarbeitung mehrschichtig sein, wie in meinem Fall, wo eine Verwandte nicht nur überzeugte Nationalsozialistin, sondern auch gefühllose Sadistin war. Die deutsche Öffentlichkeit könnte möglicherweise noch immer mit diesem historischen Erbe ringen, das Aufarbeiten familiärer Vergangenheiten bleibt jedoch eine Facette, die nicht leicht zu bewältigen ist.
Als ob differenzierte Betrachtungen wie diese keinen Platz in der öffentlichen Diskussion finden, benötigen Aussagen wie jene von Krah, dass nicht alle SS-Mitglieder Kriegsverbrecher waren, eine genauere Betrachtung. Juristisch gesehen sind Mitglieder einer kriminellen Organisation nicht unbedingt Kriegsverbrecher, obschon viele es waren. Diese Nuancen werden jedoch oft in der hitzigen Emotion politischer Debatten übergangen.
Die empörte Reaktion auf das Interview steht in krassem Widerspruch zur stillschweigenden Anerkennung von SS-Verehrern in anderen Teilen Europas. Es scheint, als ob Medien und Politik selektiv Erinnerungen ausblenden, um ihr Weltbild nicht zu stören. Dies erinnert an die absurd-komische Szene in “Das Leben des Brian”, wo jeder, der Jehova sagt, gesteinigt wird.
Es gibt jedoch auch Beispiele deutscher Politik, die unangenehme historische Wahrheiten ignoriert. So besuchte Kanzler Helmut Kohl mit Präsident Ronald Reagan einen Friedhof in Bitburg, auf dem auch SS-Soldaten beerdigt sind.
Das Problem ist nicht nur die mögliche Fehlinterpretation eines Interviews, sondern die ganze politische Dynamik, die um solche Vorfälle herum entsteht. Im Kontext der europäischen Politik schüttelt man besser jeden Verdacht ab, Kollaboration oder Schwäche zeigen zu können.
Die Strategien innerhalb der AfD kurz vor der Europawahl deuten auf eine Zerrissenheit hin, die kaum zur Stärkung der Partei beiträgt. Es stellt sich also die Frage, ob hinter den Kulissen andere Kräfte am Werk sind, vielleicht externe Einflüsse, die versuchen, den Kurs der Partei zu beeinflussen und deren Chancen zu schmälern.
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