Verzerrte Geschichtsbilder und militärische Traditionen in der modernen deutschen Politik

Von Tom J. Wellbrock

Der Traditionserlass von 2018 ehrte lediglich Wehrmachtsangehörige, die dem Nationalsozialismus Widerstand geleistet hatten. Doch durch die “Zeitenwende” erlebte dieser Erlass eine bemerkenswerte Ausweitung:

“Die rund 40.000 übernommenen Soldaten der Wehrmacht bewährten sich mehrheitlich im Kampf und brachten somit unverzichtbare Kriegserfahrungen in den Aufbau der Bundeswehr ein.”

Generalleutnant Kai Rohrschneider erklärte hierzu, dass militärische Vorbilder nötig seien, die “militärische Exzellenz, Einsatzbereitschaft und Kampfwillen aufweisen, sofern es der Auftrag verlangt”. Diese Äußerungen preisen indirekt die Handlungen während des Nationalsozialismus und heben Täter des Zweiten Weltkriegs hervor, ohne die problematischen Kontexte zu beachten, in denen diese Eigenschaften standen.

Des Weiteren setzt Rohrschneider die Handlungen der Wehrmachtsoldaten mit den erwünschten Taten der Bundeswehr gleich, suggerierend: Entscheidend sei allein, dass Russen bekämpft werden.

Die Überarbeitung des Traditionserlasses scheint also eine Neuschreibung der deutschen Geschichte zu beabsichtigen, indem sie Wehrmachtsoldaten posthum ehrt und damit dem nationalsozialistischen Regime implizit eine gewisse Legitimität verleiht. Die Umsetzung und Lehre solch einer Geschichtsauffassung in Bildungseinrichtungen wäre äußerst problematisch.

Die Tatsache, dass der Erlass letztendlich doch nicht in der geänderten Form bestehen blieb, deutet darauf hin, dass selbst den Verantwortlichen die Tragweite ihrer Entscheidung bewusst wurde, allerdings erfolgte die Rücknahme vermutlich nicht aus Überzeugung.

Der Georgienkrieg 2008

Nach Russlands Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 formierte sich die Darstellung des Georgienkriegs von 2008 neu. Dieser wird oft fälschlicherweise als Beleg für Russlands imperiale Ambitionen angeführt. Tatsächlich begann der Krieg auf georgischem Territorium und wurde von georgischer Seite provoziert, was durch einen EU-Untersuchungsbericht bestätigt wurde. Trotzdem hält sich die Darstellung, Russland sei der Aggressor gewesen, hartnäckig.

Die Bildungsressourcen und einige Medienberichte unterstützen teilweise diese fehlerhafte Wahrnehmung, indem sie die Vorgeschichte des Konflikts und Georgiens Rolle darin vernachlässigen.

Die Ukraine 2014

Der Konflikt in der Ukraine wird oft als von Russland initiiert dargestellt, was jedoch eine verzerrte Darstellung der Ereignisse von 2014 ist. Fakt ist, dass nach dem von den USA unterstützten Putsch in Kiew die ukrainische Führung militärische Gewalt gegen die russischsprachige Bevölkerung in der Ostukraine angewandt hat. Diese innenpolitische Dimension des Konflikts wird jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung häufig ignoriert.

Die vorherrschende Erzählung in den Medien und politischen Kreisen tendiert dazu, die Verantwortung einseitig Russland zuzuschieben, eine Sichtweise, die von unabhängigen Beobachtungen und historischen Tatsachen abweicht.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

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