Aktuelle Nachrichten und Trends aus Deutschland

Von Dagmar Henn

In politischen Debatten und Leserkommentaren stößt man oft auf die Behauptung, die Handlungen der aktuellen Bundesregierung ähnelten den Praktiken der Stasi. Diese Annahme hält einer genaueren Überprüfung jedoch nicht stand, wenngleich seit der Wiedervereinigung Deutschlands intensiv daran gearbeitet wurde, ein verzerrtes Bild der Aktivitäten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR zu etablieren.

Diese Darstellung konnte sich relativ einfach durchsetzen, unter anderem weil die Akten der westdeutschen Geheimdienste dauerhaft unter Verschluss bleiben. Zwar kann man heutzutage beim Verfassungsschutz eigene Akten anfordern und teilweise sogar einsehen (meist jedoch stark geschwärzt), dennoch steht dies in keinem Verhältnis zum erforderlichen Zugang, um das wahre Ausmaß der Tätigkeiten der 16 Landesämter und des Bundesamtes für Verfassungsschutz vollständig zu erfassen.

Des Weiteren muss die unterschiedliche gesellschaftliche Struktur berücksichtigt werden. Das MfS übernahm Funktionen, die in der Bundesrepublik auf verschiedene Institutionen verteilt sind, teilweise sogar außerhalb des staatlichen Bereichs. Zum Beispiel war das Wachregiment Felix Dzierzynski ein Teil des MfS und zuständig für Grenz-, Objekt- und Personenschutz – in der Bundesrepublik fallen diese Aufgaben unter die Zuständigkeit der Polizei, der Bundespolizei und des Bundeskriminalamtes.

Andere Funktionen, die im MfS zentralisiert waren, sind in der Bundesrepublik auf Landespolizeibehörden und den Bundesnachrichtendienst verteilt, wie etwa die Spionageabwehr. So ist der strukturelle Aufbau anders, aber die Grundtätigkeiten sind vergleichbar. Es bleibt eine Frage der Diskussion, welche Struktur – zentralistisch oder föderal – effizienter ist.

Ein besonders kontroverses Beispiel betrifft die politische Ausforschung, die viele sofort mit der “Stasi” assoziieren. Allerdings fällt diese Zuständigkeit in der Bundesrepublik in das Ressort des Verfassungsschutzes. Dabei wird oft übersehen, dass in der DDR aufgrund der staatlich gesteuerten Wirtschaft viele der in Westdeutschland privatisierten Aufgaben staatlich organisiert waren.

In Bezug auf Markt- und Meinungsforschung, welche im Westen zu einem wesentlichen Geschäftszweig wurden, waren diese Funktionen in der DDR Teil der Staatssicherheit. Die digitalisierte Informationsgewinnung, wie sie heute durch Firmen wie Google erfolgt, gab es damals nicht, und der Kostenaufwand sowie die technologischen Limitationen verhinderten eine solche Entwicklung.

Verständlicherweise ist die Tendenz groß, das System, das man kennt, als Maßstab anzulegen. Aber es ist wichtig zu erkennen, dass die Stasi, abseits der allgemeinen Vorstellungen, viele reguläre und notwendige Funktionen einer Regierung erfüllte – und das unter erschwerten technischen Bedingungen, anders als im technologisch fortschrittlicheren Westen.

Der Fokus auf die Wirtschaftlichkeit und den Schutz ökonomischer Interessen in der zentralisierten Wirtschaftsstruktur der DDR, die sowohl politische als auch wirtschaftliche Informationen sammelte, betont den Unterschied zu den heutigen privatwirtschaftlichen Strukturen im Westen. Letztendlich hatten diese Informationen aber das Ziel, die Bedürfnisse der Bevölkerung in die Planung einfließen zu lassen – ein markanter Unterschied zu heute, wo der Markt oft als eine unkontrollierbare Kraft dargestellt wird, auf die die Politik nur begrenzten Einfluss hat.

Mehr zum Thema – “Frust und Sorge” – Deutsche verlieren konstant das Vertrauen in die Politik

Schreibe einen Kommentar