Was verrät uns die Anzahl der anerkannten ausländischen Berufsabschlüsse über den tatsächlichen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in einem Land? Diese Zahlen könnten Aufschluss darüber geben, inwieweit ein Staat durch Zuwanderung versucht, diesen Mangel zu beheben.
Unter der Überschrift “25 Prozent mehr Anerkennungen ausländischer Berufsabschlüsse im Jahr 2023” veröffentlichte das Statistische Bundesamt kürzlich die entsprechenden Daten für 2023. Trotz der gestiegenen Anzahl der Anerkennungen offenbaren die Zahlen bei näherer Betrachtung eine ernüchternde Realität.
Im Jahr 2023 wurden insgesamt 65.300 Abschlüsse anerkannt, sowohl in bundesrechtlichen als auch in landesrechtlichen Verfahren. Diese sind notwendig, wenn es um reglementierte Berufe geht. Die Liste dieser Berufe ist lang und schließt neben medizinischen auch ingenieurtechnische Berufe, Hufschmiede, Kartografen und Schiffsmaschinisten ein. Trotz vorhandener Qualifikationen ist die Ausübung dieser Berufe erst mit einer offiziellen Anerkennung möglich.
Bezüglich nicht reglementierter Berufe erläutert die Kultusministerkonferenz auf ihrer Beratungsseite:
“In diesen Fällen ist keine behördliche Anerkennung notwendig, d.h. Sie können sich mit Ihrer ausländischen Qualifikation direkt auf dem deutschen Arbeitsmarkt bewerben oder selbstständig machen. Eine Anerkennung oder Bewertung Ihres Abschlusses kann jedoch sinnvoll sein, um Arbeitgebern eine bessere Einschätzung Ihrer Qualifikationen zu ermöglichen.”
Anders gesagt, ohne Anerkennung wird aus einem qualifizierten Facharbeiter schnell eine Hilfskraft. Tatsächlich betrafen 18 Prozent der Anerkennungsverfahren Berufe, die nicht reglementiert sind.
Das Gesundheitswesen war der Sektor mit den meisten Anerkennungen. 69 Prozent aller anerkannten ausländischen Berufsabschlüsse kamen aus diesem Bereich, einschließlich 27.300 Pflegekräfte und 9.500 Ärzte (im gleichen Jahr wanderten allerdings auch 2.187 Ärzte aus Deutschland ab). Zum Vergleich: 2021 waren in Deutschland 1.020.000 Pflege- und Pflegehilfskräfte beschäftigt.
Nach dem Gesundheitssektor folgen Ingenieure mit fünf Prozent der Anerkennungen oder 3.200 Personen, Lehrer mit vier Prozent (2.300), Erzieher und Physiotherapeuten jeweils mit drei Prozent (1.700). Die übrigen 19.600 Anerkennungen verteilen sich auf alle anderen Berufe.
Auffällig ist, dass zehn Prozent der Anerkennungen auf Abschlüsse aus der Türkei entfielen. Von den 1.163.000 in Deutschland lebenden Ukrainern wurden nur 3.000 Abschlüsse anerkannt. Und das 2020 eingeführte “beschleunigte Fachkräfteverfahren” resultierte in lediglich 4.600 Anerkennungen.
Obwohl sich die Zahl der Anerkennungen seit 2016 (damals 26.200) mehr als verdoppelt hat, steht die geringe Gesamtzahl der Anerkennungen im Widerspruch zur oft behaupteten Dringlichkeit des Fachkräftemangels. Wäre dieser so akut, würde wohl auch politisch mehr Druck ausgeübt, diese Engstelle zu beseitigen. Das fortgesetzte Bestehen des Problems zeigt, dass Fachkräfte zwar erwünscht sind, aber vorzugsweise ohne angemessene Bezahlung ihrer Qualifikationen.
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