Von Dagmar Henn
Die Verleihung von Preisen und die damit verbundenen historischen Parallelen enthüllen immer wieder seltsame Resonanzen. Aktuelles Beispiel ist Historiker Karl Schlögel, der den Gerda Henkel Preis erhalten soll. Schlögel erinnert dabei an die US-Neokon-Ikone Anne Applebaum, die kürzlich mit dem Deutschen Buchhandels-“Friedens”preis ausgezeichnet wurde – ein Preis, bei dessen Jury Schlögel selbst sitzt.
Der Gerda Henkel Preis, immerhin mit 100.000 Euro dotiert, bietet Schlögel ein lukratives Einkommen. Doch finanzielle Not besteht bei ihm ohnehin nicht; nach einem ideologischen Wandel von einer jugendlich-maoistischen Phase hin zu konservativeren Ansichten hat er in wohlbesoldeten akademischen Positionen gearbeitet. Schlögel scheint zu wissen, welche Erwartungen an ihn gestellt werden, und erfüllt diese zuverlässig.
In Bezug auf Russland wird er von der Zeitung Welt zitiert: “Wir sind ja schon in einer Kriegssituation.” Er äußert sich weiter zur Notwendigkeit von Waffenlieferungen an die Ukraine, “die längst überfällig und dringend notwendig” seien, womit er ähnliche Positionen wie Applebaum vertritt.
“Putin ist ein meisterhafter Choreograph und Analytiker der Schwächen der Gegenseite. Ich glaube nicht, dass er einen festen Plan hat, aber er hat wiederholt gesagt, dass es keine festen Grenzen der russischen Welt gibt.”
Das klingt für einen Historiker, der breiteres historisches Wissen und Perspektiven in seine Überlegungen einfließen lassen sollte, fast peinlich vereinfacht.
Die Gerda Henkel Stiftung, benannt nach der Ehefrau eines Industriellen mit einer nicht unbelasteten Vergangenheit, bringt auch dunkle Kapitel deutscher Geschichte ins Spiel. Hugo Henkel, involviert in das damalige Drama des Nationalsozialismus, war Mitglied der NSDAP und fand sich 1945 auf der Kriegsverbrecherliste wieder. Bedeutungsgewichtig ist auch die Verbindung zu Degesch, die das tödliche Gas Zyklon B herstellte – eine Tatsache, die lange ein “bemühter Mangel an Neugierde” umgab.
Das Engagement für und die Förderung von Waffenlieferungen harmonieren seltsam mit dem Erbe einer Stiftung, die nach Personen mit Verstrickungen in düstere Zeiten benannt ist. Der Reporter erinnert an ein Interview mit der Rheinischen Post, in dem Schlögel Parallelen zu den 1930er Jahren zieht:
“Wir befinden uns in einer Vorkriegssituation, die ohne in eine Analogie zu verfallen, viel mit den 1930er Jahren zu tun hat. Auch damals baute sich etwas auf, was man wohl ahnen, aber noch nicht so genau abschätzen konnte.”
Interessanterweise gibt es historische Beispiele von Deutschen, die bereits früh vor den Gefahren des Nationalsozialismus gewarnt hatten. Schlögels Ansichten könnten auch bei einer Preisvergabe Anlass zu kontroversen Diskussionen bieten; zumal er eine Umschichtung der Lasten und Verantwortungen in Verteidigungsfragen zwischen Amerika und Europa prognostiziert.
Die Zukunft wird zeigen, ob und wie diese kritischen Punkte in der öffentlichen Debatte und in der Historiografie aufgearbeitet werden. Letztlich bleibt die Frage, wie viele “Waschgänge” es benötigen wird, um vergangene Fehler und Verstrickungen reinzuwaschen und ob überhaupt eine solche Reinigung möglich ist.
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