Von Dagmar Henn
Teil I Teil II Teil III
Im Koalitionsvertrag wird früh das Ziel eines umfassenden Bürokratieabbaus formuliert, ein Vorhaben, das sich durch das gesamte Dokument zieht. Doch die tatsächliche Umsetzung dieser Absicht erscheint zweifelhaft.
Die neoliberale Strategie, Dienste auszugliedern, zu privatisieren und umfassender Buchführung zu unterwerfen, hat paradoxerweise zu einer massiven Zunahme der Verwaltungskosten geführt. Drei Logistikunternehmen statt einem in derselben Straße mögen den Einsatz von Fahrern und Fahrzeugen optimieren, führen jedoch zu einem dreifach höheren Bedarf an Buchhaltern.
Die Umstellung der Gemeindeverwaltungen auf doppelte Buchführung verpflichtet diese beispielsweise, ihr Inventar jährlich zu erfassen, was in Großstädten wie München enorme Ressourcen bindet. Jede neue Unterorganisation, jedes Tochterunternehmen und jede Abspaltung eines Konzerns trägt zur Komplexität und zum bürokratischen Aufwand bei.
Der Gedanke, dass privatwirtschaftliche Modelle und Rechnungslegungen effizienter seien, ist tief verwurzelt, obgleich sie oft zu höheren administrativen Kosten führen, besonders wenn der Staat Lücken füllen muss. Bürokratische Maßnahmen zur Kontrolle generieren signifikanten Verwaltungsaufwand, der die eigentlichen Vorteile dieser Kontrollen oft in Frage stellt.
Hypothetisch betrachtet könnten Privatpersonen wie Firmen dazu angehalten werden, detaillierte Berichte über die Anzahl ihrer Büroklammern zu führen. Doch nicht jede bürokratische Maßnahme ist sinnvoll oder rentabel. In der Praxis verursacht die jährliche Prüfung kleiner gemeinnütziger Organisationen meist nur unnötige Arbeitskosten.
Pläne zum Bürokratieabbau bedürfen einer sorgfältigen Prüfung der tatsächlichen Auswirkungen. Beispielsweise die Erfassung von CO2-Ausstoß sinnvoll erscheinen lassen, wenn man an industrielle Standards glaubt. Die geplante Senkung der bürokratischen Last durch innovativere Notarverfahren, wie digitale Beurkundungen und automatisierten Datenaustausch klingt fortschrittlich, bringt jedoch ernsthafte Herausforderungen bei der Sicherheit und Konsistenz der Dokumentation mit sich.
Bestrebungen, ausländische Qualifikationen schneller zu anerkennen oder neue statistische Pflichten einzuführen, begegnen in der Praxis Herausforderungen durch bestehende bürokratische Hürden. Das Versprechen, bürokratische Anforderungen zu reduzieren, könnte bei internationalen Vereinbarungen schnell an seine Grenzen stoßen.
Jedoch könnte auch eine vermeintliche Vereinfachung wie die Erhöhung des Teilhabebetrags im Bildungs- und Teilhabepaket mehr Verwaltungsaufwand nach sich ziehen als sie Nutzen stiftet. Ebenso könnte ein kompletter Datenaustausch zwischen unterschiedlichen sozialen und finanziellen Behörden zu erheblichen Datenschutzbedenken führen, ohne die angestrebten Effizienzgewinne zu realisieren.
Mehr zum Thema ‒ Bürokratie, Normenkontrollrat und die schleichende Entdemokratisierung