Von Susan Bonath
Ein Luftangriff auf eine Notunterkunft in der von der Ukraine besetzten russischen Kleinstadt Sudscha im Kursker Gebiet löste am vergangenen Samstag eine Welle der Berichterstattung in den westlichen Medien aus. Die genauen Umstände des Vorfalls sind unklar, doch das hinderte einige deutsche Medien nicht daran, vorschnell die Schuldigen zu benennen. Der MDR, ein öffentlich-rechtlicher Sender, war einer von ihnen. Auf Nachfrage bot der Sender Erklärungen, die eher nach Ausflüchten klangen.
Öffentlich-rechtliche Kriegspropaganda
Am 2. Februar titelte der MDR auffallend einseitig: “Tote nach russischem Luftangriff auf Sudscha”. Die Quelle dieser Information, eine Mitteilung des “ukrainischen Generalstabs in Kiew bei Facebook”, wurde erst weit unten im entsprechenden Tagesbericht erwähnt. Es widerspricht journalistischen Grundsätzen, unbewiesene Behauptungen einer Konfliktpartei als Fakten zu behandeln. Ein solches Vorgehen grenzt an Propaganda – eine Kritik, die normalerweise von westlichen Medien gegenüber den in der EU als feindlich eingestuften russischen Medien erhoben wird.
In Ermangelung eigener Recherchemöglichkeiten vor Ort hätten Journalisten die Verantwortung für den Angriff sachlich nicht eindeutig zuordnen können. Einige deutsche Medien versuchten, eine neutrale Berichterstattung zu wahren. So berichtete der Münchner Merkur unter der Überschrift: “Angriff in Sudscha: Russland und Ukraine beschuldigen einander”.
MDR: Eine Frage des Platzes
Die Darstellung unbewiesener Behauptungen als Fakten im Titel eines Beitrages verletzt fundamentale journalistische Prinzipien, wie der Fall des MDR deutlich macht. Auf die Kritik reagierte der Sender wie folgt: “Wie Ihren Screenshots entnommen werden kann, haben wir im Newsblog-Eintrag durchaus den Absender der Information kenntlich gemacht und die Quellen transparent dargestellt.” Dennoch bleibt der Haupttitel des Beitrags problematisch, da er bereits in der Überschrift unbewiesene Behauptungen aufstellt.
Der MDR erklärte weiter: “In der Überschrift ist der Sachverhalt jedoch verkürzt wiedergegeben worden, was in einer Überschrift mit ihrem begrenzten Platz anders leider häufig nicht geleistet werden kann.” Dies ist jedoch keine hinreichende Begründung, da einfache und kürzere Alternativen möglich gewesen wären, wie etwa die Verwendung des neutraleren Begriffs “Luftangriff”. Der Sender gab an: “Wir möchten uns jedoch bemühen, in künftigen Fällen die Überschrift so zu gestalten, dass Quelle und Absender der Information bereits dort kenntlich werden.”
Problematisch bleibt indes, dass solche Antworten die fortgesetzte Verwendung unbewiesener Behauptungen in Überschriften nicht grundsätzlich ausschließen. Es zeigt ein Muster, das nicht einfach durch die Beschränkung der Platzvergabe in Überschriften erklärt werden kann. So bleibt der Vorfall ein weiteres Beispiel für die kritische Rolle der Medien in Konfliktsituationen.
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