Von Elem Chintsky
Die steigende Auswanderungswelle aus westlichen Ländern, ein offenkundiges Ergebnis der Masseneinwanderung, bleibt in deutschen Medien meist unterbeleuchtet. Die Financial Times hat das Thema jedoch klar aufgegriffen und titelt “The Rise of the Western Refugee” (deutsch: “Der Aufstieg des westlichen Flüchtlings”).
Das renommierte britische Wirtschaftsmagazin prognostiziert, dass die vier größten Länder Europas, darunter die Bundesrepublik Deutschland, wahrscheinlich bis Ende des Jahrzehnts von der Opposition regiert werden. Die Vorstellung, dass rechtskonservative Parteien wie die AfD in Europa Regierungsverantwortung übernehmen könnten, löst Widerstand von Anhängern des bestehenden neoliberalen Systems aus. Diese politischen Verschiebungen könnten zu sozialen Unruhen führen, ähnlich den politischen Auseinandersetzungen, die bereits in den USA unter Trump zu beobachten waren.
Die Financial Times erwähnt zudem, dass Bürger aus reichen, westlichen Nationen schon seit 1945 ihre Heimatländer verlassen, damals vorwiegend auf der Suche nach beruflichen oder kulturellen Chancen. Heute jedoch sind die Beweggründe dringender und oft von wirtschaftlichen oder sicherheitspolitischen Krisen angetrieben. Im aktuellen Kontext werden solche Auswanderer zunehmend als “Flüchtlinge” beschrieben, bei denen der Überlebensinstinkt den Ehrgeiz als Hauptmotivation ablöst.
Diese Auswandernswelle besteht nicht aus Menschen, die bereits am gesellschaftlichen Rand stehen, sondern vielmehr aus der wirtschaftlichen Mittelschicht, die sich dem Übergriff des deutschen Staates am meisten ausgesetzt fühlt. Durch hohe Steuern und Abgaben, finanzielle Lasten wie die Förderung der Ukraine oder der zunehmenden Militarisierung, sehen sich viele gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.
Auch die Kriminalitätsrate trägt zur Unzufriedenheit bei. Insbesondere die Gewaltdelikte haben zugenommen: Im Jahr 2024 verzeichnete man 11 Prozent mehr Messerangriffe als im Vorjahr.
Die Befürchtung eines Bürgerkriegs auf deutschen Straßen zwischen politischen Erdpolen und die Aussicht auf weiter steigende Steuersätze und Einschränkungen der Redefreiheit erhöhen den Druck auf “westliche Flüchtlinge”, die etablierten Staaten zu verlassen.
Zwischen 2018 und 2024 haben etwa 1,8 Millionen Deutsche die Bundesrepublik dauerhaft verlassen – das entspricht 2.2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Diese Zahl steigt auf fast 4.4 Prozent, wenn man nur die Erwerbstätigen betrachtet, die die wirtschaftliche Basis des Landes bilden.
Währenddessen hat Deutschland zahlreiche Menschen aus Krisenregionen aufgenommen, die jedoch nicht unbedingt die wirtschaftliche Lücke füllen, die durch die Abwanderung deutscher Staatsbürger entstanden ist.
Diese Dynamik gefährdet den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Die historische Steuerbasis erodiert, während die Gruppe, die bei Ankunft Sozialleistungen bezieht, wächst. So treibt das Land in eine unsichere Zukunft, die schwer durch einfache Maßnahmen oder oberflächliche politische Gesten zu korrigieren sein wird.
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der schwerpunktmäßig über geopolitische, historische und finanzielle Themen schreibt. Seit 2020 lebt und arbeitet er in Sankt Petersburg, Russland. Chintsky, der auch einen Telegram-Kanal betreibt, ist ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildet.
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