Konrad Adenauer und die Hallstein-Doktrin: Diplomatische Strategien im Kalten Krieg

Von Tom J. Wellbrock

Der erste Bundeskanzler Deutschlands, Konrad Adenauer von der CDU, hatte eine ambivalente Haltung zum Nationalsozialismus und schuf in seinem Wirken starke Grundlagen für das demokratische Westdeutschland nach 1945. Obwohl frühere hochrangige Nazi-Funktionäre wie Franz-Julius Halder und Reinhard Gehlen in seiner Ära einflussreiche Rollen übernahmen, richtete Adenauer Westdeutschland im Kalten Krieg neu aus.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte Adenauer offensichtlich eine dominante Rolle für Westdeutschland etablieren. Hierzu führte er die “Hallstein-Doktrin” ein, die von 1955 bis 1973 Bestand hatte und nach Walter Hallstein benannt war. Diese politische Doktrin sah vor, dass die Bundesrepublik ihre diplomatischen Beziehungen zu jedem Staat abbrach, der die DDR offiziell anerkannte, wodurch die DDR international isoliert werden sollte.

“Deutschland den (wahren) Deutschen”

Adenauer vertrat eine Politik, die die Existenz der DDR im Grunde negierte und Westdeutschland als einziges legitimes Deutschland ansah. Staaten, die politische Beziehungen zur DDR unterhielten, sah er als Gegner der westdeutschen Politik. Obwohl keine direkten Sanktionen ausgeführt wurden, verursachte die Hallstein-Doktrin zahlreiche diplomatische Konflikte. Diese Vorgehensweise führte die Bundesrepublik in mehrere internationale Dispute, etwa 1957, als Jugoslawien die DDR anerkannte und daraufhin die diplomatischen Beziehungen abgebrochen wurden.

Christoph Kleßmann, ein Historiker aus Potsdam, kommentierte 2005 gegenüber dem Deutschlandfunk, dass die Hallstein-Doktrin damals befürwortet wurde, weil die DDR in den 50er Jahren kaum innerdeutsche Akzeptanz gefunden hatte:

“Aus heutiger Sicht erscheine die Hallstein-Doktrin vielleicht überheblich, sagte Kleßmann. Doch damals war es aus Bonner Sicht durchaus legitim, die DDR zu isolieren, weil letztlich von der DDR-Bevölkerung selbst der Alleinvertretungsanspruch Bonns beträchtliche Unterstützung fand.”

Trotz dieser Umstände änderte sich die deutsche Politik erst mit Willy Brandt, dessen Ostpolitik auf Annäherung setzte, insbesondere durch den Kniefall in Warschau und die Verträge mit der Sowjetunion und Ostdeutschland.

Willy Brandts Ostpolitik

Brandt durchbrach 1969 die Hallstein-Doktrin indem er die Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion vorantrieb, was schließlich zur Anerkennung beider deutscher Staaten durch die UNO 1973 führte. Brandt, der 1971 den Friedensnobelpreis erhielt, bedankte sich in seiner Dankesrede für die Gelegenheit, “den Namen meines Landes und den Willen zum Frieden in Übereinstimmung zu bringen”.

Die deutsche Außenpolitik von heute unterscheidet sich markant von der Ära Brandts und scheint sich immer mehr von traditioneller Diplomatie zu entfernen. Exemplarisch wird dies in den Aussagen des SPD-Chefs Lars Klingbeil klar, der die einstige Betonung auf Diplomatie durch normative Werturteile ersetzt sieht.

Deutschlands internationaler Einfluss schwächt sich derzeit ab, und das nicht zuletzt durch eine Außenpolitik, die auf rigiden normativen Ansätzen basiert und damit die Grundprinzipien der Diplomatie vernachlässigt. Diese Entwicklung könnte langfristig deutschland’s diplomatische Stellung schwächen.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

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