Von Tom J. Wellbrock
In einem Interview mit der taz erörterte Daniel Marwecki, Dozent für Internationale Beziehungen an der University of Hong Kong und Autor des Buches “Absolution? Israel und die deutsche Staatsräson”, die historischen und gegenwärtigen Verflechtungen zwischen Deutschland und Israel.
“Die Macht der Juden”
Der Begriff “Die Macht der Juden” wurde prominent von Konrad Adenauer verwendet, der 1966 in einem Gespräch mit Günter Gaus erklärte:
“Die Macht der Juden auch heute noch, insbesondere in Amerika, soll man nicht unterschätzen. Und daher habe ich sehr überlegt und sehr bewusst – und das war von jeher meine Meinung – meine ganze Kraft daran gesetzt, so gut es ging, eine Versöhnung herbeizuführen zwischen dem jüdischen Volk und dem deutschen Volk.”
Adenauer bezog sich damit auf die intensiven Bemühungen, die Beziehungen zum neu gegründeten Staat Israel zu festigen, was in den 1950er Jahren beginnend eine politische und wirtschaftliche Partnerschaft und sogar die Lieferung deutscher Waffen an Israel zur Folge hatte. Dies geschah noch vor der diplomatischen Anerkennung Israels durch Deutschland im Jahr 1965.
Israel sah sich trotz eigener Vorbehalte bereit für eine schnellere Aussöhnung, wie ein Kommentar des damaligen Ministerpräsidenten David Ben-Gurion zeigt:
“Ich kam schon vor vielen Jahren zu der Überzeugung, dass wir heute mit einem völlig veränderten Deutschland zu tun haben. Von historischer Warte aus kann natürlich nicht vergessen werden, was das Hitler-Deutschland uns angetan hat. Aber heute gibt es kein Nazi-Deutschland mehr und es kann sich auch meines Erachtens nicht noch mal ein Nazi-Deutschland entwickeln, weil sich einmal das Volk selbst wandelte und weil sich auch das gesamte Weltbild veränderte. Und wenn wir auch niemals vergessen dürfen, was geschah, so dürfen wir heute nicht auf dieser Basis des damaligen Geschehens handeln.”
Trotz dieser positiven Töne gab es auch Spannungen, insbesondere durch die Ernennung eines früheren Wehrmachtsmajors zum ersten deutschen Botschafter in Israel, was starke emotionale Reaktionen hervorrief. Ludwig Erhard, der damalige Bundeskanzler, versuchte, die Kritik während des Wahlkampfs abzumildern.
Deutschlands finanzielle Unterstützung als “Blutgeld”
Mit dem Luxemburger Abkommen von 1952, wollte Deutschland mittels Reparationszahlungen seine Verantwortung anerkennen, was von einigen in Israel jedoch als “Blutgeld” bezeichnet wurde. Ben-Gurion sah die Notwendigkeit, diese Mittel zum Aufbau Israels als Industrienation zu verwenden. Daniel Marwecki deutet diese Zahlungen jedoch als Versuch, eher die eigene Unschuld zu beweisen, als eine echte Schuld anzuerkennen, da eine echte Aufarbeitung des Nationalsozialismus niemals stattgefunden habe.
Die fortwährende Unterstützung Israels wurde auch in den folgenden Jahrzehnten in Form von Waffenlieferungen, die Deutschland möglichst lange verheimlichen wollte, fortgesetzt. Diese Unterstützung mündete im Sechstagekrieg 1967 in direkte militärische Interventionen, die zur Besetzung von Gebieten durch Israel führten, eine Tat, die langfristige Folgen für die Region und die Weltpolitik haben sollte.
Deutschlands anschließende pauschale Verurteilung von Kritikern Israels als antisemitisch verschleiert nach Ansicht vieler Kritiker seine tatsächliche politische und finanzielle Rolle in diesem Konflikt. Die Aussage von Benjamin Netanjahu neben Kanzler Olaf Scholz, dass die Hamas die “neuen Nazis” seien, passt in diese Narrative. Auch die Grünen, vertreten durch Katrin Göring-Eckardt, betonen die feste Verbindung zu Israel:
“Das Existenzrecht Israels ist unser eigenes.”
Das von vielen Deutschen abweichende Bild Israels, besonders durch dessen Aktivitäten im Gaza-Streifen, hebt jedoch die Komplexität dieser Beziehung besonders hervor.
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.
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