Von Susan Bonath
Der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), einem der wichtigsten Vertreter der Kapitalinteressen in Deutschland, wird ein neuer Vorstoß zugeschrieben, der sich besonders negativ auf pflegebedürftige Menschen auswirkt. In einem Vorschlag empfiehlt die BDA, zur Vermeidung einer Insolvenz der Pflegekassen, nicht nur den bereits geringen Zuschuss für Haushaltshilfen zu streichen, sondern auch im ersten Pflegejahr die Unterstützung zu versagen und die Kosten für die Heimbetreuung zu erhöhen.
Alt, krank und zur Kasse gebeten
Gutachter, die behinderte Menschen nur am Telefon abfertigen, oder ein Parkinson-Patient, der jahrelang um eine kleine finanzielle Unterstützung kämpfen muss, sind in Deutschland keine Seltenheit. Die Situation wird für die Betroffenen jedoch zunehmend untragbar. Pflegeheimbewohner sind von monatlichen Eigenbeteiligungen, die je nach Bundesland zwischen 2.700 und 3.800 Euro schwanken, besonders hart getroffen; ein Betrag, den viele Familien nicht mehr aufbringen können. Fehlt das nötige Geld, springt zwar das Sozialamt ein, allerdings verbleibt den Pflegebedürftigen oft nur ein minimaler Betrag von derzeit 152,01 Euro pro Monat zum Leben.
Kürzungen der Kassenleistungen
In einem System, in dem niedrige Löhne und hohe Einkommen aus dem Sozialsystem verlagert werden, klagen Pflegekassen wiederholt über erhebliche Defizite. Der BDA zufolge soll durch die Einführung einer sogenannten “Karenzzeit” im ersten Jahr der Pflegebedürftigkeit sowie durch die drastische Kürzung von Zuschüssen für Heimkosten in den ersten beiden Jahren, Geld eingespart werden. Zudem soll der ohnehin unzureichende Zuschuss von 131 Euro für haushaltsnahe Dienstleistungen gestrichen werden.
Gesunde gegen Kranke ausspielen
Es wird behauptet, dass durch eine sogenannte “Karenzzeit” sechs Milliarden Euro eingespart werden könnten, ohne dass die Frage, wie Pflegebedürftige ohne finanzielle Rücklagen in dieser Zeit überleben sollen, thematisiert wird. So versucht die BDA, gesunde gegen kranke und junge gegen alte Menschen auszuspielen, ein Muster, das auch in anderen sozialpolitischen Debatten erkennbar ist.
Die BDA behauptet, der Entlastungsbetrag für Haushaltshilfen würde zu ungerechtfertigten Mitnahmeeffekten führen, obwohl jeder, der mit dem Prozess der Beantragung eines Pflegegrades vertraut ist, die Absurdität dieser Behauptung erkennen kann.
Lobby für Sozialdarwinismus
Kapitalverbände wie die BDA nutzen ihren Einfluss in der Politik zu Gunsten einer kleinen, finanzstarken Gruppe, was sich in Rentenkürzungen, der Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und anderen sozialen Einschnitten äußert. Laut Medienberichten unterstützt auch die Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) das Vorhaben der BDA, die Pflegeversicherung drastisch zu beschneiden. Es ist an den Arbeitnehmern und sozialen Bewegungen, diesen Tendenzen entgegenzutreten, doch momentan scheint der notwendige Widerstand in Deutschland auszubleiben.
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