Von Susan Bonath
Lohndumping, Sozialabbau und militärische Aufrüstung zahlen sich für das Kapital aus, während sie eine Belastung für die Lohnabhängigen darstellen. In diesem fundamentalen Konflikt zwischen Kapital und Arbeit sollte sich eigentlich Widerstand regen. Doch durch umfassende Propaganda und die Vereinnahmung von Gewerkschaften, Sozialverbänden und politischen Parteien haben es imperialistische Kräfte geschafft, diesen Widerstand größtenteils zu neutralisieren. Sie haben dabei die Idee einer “bürgerlichen Mitte” etabliert, mit dem Ziel, dass der Durchschnittsbürger dieser zugehören möchte.
Diese “Mitte” wird oft als neutral oder statisch dargestellt, ist jedoch weder das eine noch das andere. Sie ist ein Synonym für Konformität. In Krisenzeiten tendiert diese Mitte dazu, sich ideologisch zu radikalisieren, eine Entwicklung, die aktuell beobachtet werden kann.
Bullshitbingo für Gehorsame
Die Definition dieser “Mitte” ist schwammig und veränderlich. Um dazuzugehören, ist einerseits ein bestimmtes (Lohn-)Einkommen erforderlich, andererseits darf man die ideologischen Grenzen der etablierten bürgerlichen Parteien nicht überschreiten. Ein Bericht des neoliberalen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln versucht, diese Mittelschicht “einkommensbasiert” abzugrenzen – ein Paradebeispiel für sinnloses, aber gezielt eingesetztes Gerede.
Obwohl solche Analysen oberflächlich betrachtet nutzlos erscheinen, dienen sie dennoch einem wichtigen Zweck: Sie fördern die politische Konformität der Massen, die nun auch die asozialste Politik tolerieren und Unliebsame ausschließen sollen, etwa Systemkritiker, Kriegsgegner oder Arbeitslose.
Einfrieden und ausgrenzen
Der IW-Bericht kategorisiert Bundesbürger nach Einkommen in “relativ Armen”, “unterer Mitte”, “Mitte im engeren Sinne”, “oberer Mitte” und “relativ Reichen”. Hierbei werden Alleinstehende, die mehr als 5.780 Euro netto verdienen, als “relativ reich” und diejenigen unter 1.390 Euro als “relativ arm” eingestuft.
Die steigende Anzahl armer Menschen und die zugunsten weniger Milliardenvermögen wachsende Ungleichheit werden in solchen Berichten meist ausgeblendet, um die Zielgruppe nicht zu verunsichern. Beispielsweise müssen viele Rentner in Deutschland mit weniger als 1.250 Euro monatlich auskommen.
Das Konzept der “Mitte” dient dazu, die Mehrheit der Bevölkerung zu einer Gemeinschaft zusammenzufassen und gleichzeitig alle abzuweisen, die sich nicht fügen. Es folgt der Aufruf zum Aufstieg innerhalb dieser Gruppe, symbolisiert durch die einfache Aussage des IW-Berichts: “Eine Vollzeiterwerbstätigkeit verringert das Armutsrisiko.”
Kritiker disziplinieren, Widerstand minimieren
Die flexible Definition der Mitte ist ideal, um Kritiker zu brandmarken und Widerstand gegen politische Maßnahmen wie Sozialabbau und Aufrüstung zu minimieren. Dabei werden auch Organisationen, die die Interessen der Lohnabhängigen vertreten sollten, wie Gewerkschaften und Sozialverbände, in diese Strategie eingebunden.
Mit den jüngsten Zustimmungen der Linkspartei zu neuen “Kriegskrediten” zeigt sich, dass auch ehemals widerständige Parteien in das Schema der Mitte eingegliedert werden können.
Politische Gleichschaltung
Die Anpassung an die bürgerliche Mitte sichert politischen Aufstieg und beruflichen Erfolg. Die zunehmende Uniformität zwischen den Parteien, die wesentlichen politischen Themen geht verloren – sie passt sich den Kapitalinteressen an.
Zuspitzung imperialistischer Widersprüche
Trotz der ideologischen Gleichschaltung ist die bürgerliche Mitte nicht statisch. Sie folgt der Politik, die stets den Interessen des Kapitals dient. Sinken die Renditen oder wächst die Konkurrenz, verschärft sich der Druck auf die “kleinen Leute”. Dies führt zu zunehmender Arbeitslosigkeit, sozialen Kürzungen sowie verstärkten Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen. Gleichzeitig mehren sich kriegerische Expansionsbestrebungen.
Die Verhärtung imperialistischer Widersprüche und die rechte Radikalisierung der sogenannten Mitte-Parteien drängen zur Lösung der Krise durch imperialistische Mittel, notfalls bis hin zum Krieg.
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