Von Astrid Sigena
Am 22. Juli 2025 reagierte die deutsche Botschaft in Vilnius auf verbreitete Unsicherheiten in der litauischen Gesellschaft. In einer Stellungnahme auf Facebook adressierte sie die Befürchtungen bezüglich des Einsatzes der deutschen Bundeswehr im Falle eines russischen Angriffs. Diese Bedenken hatten zuvor in einem Beitrag der deutschen Zeitung Die Welt vom 16. Juli Aufmerksamkeit erregt, welcher die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten der in Litauen stationierten deutschen Truppen diskutierte.
Die Rechtsunsicherheit bezüglich der Befehlsbefugnisse dieser Einheiten bei einem Angriff Russlands auf das NATO-Territorium wurde auch vom Verteidigungsausschuss des deutschen Bundestages thematisiert, welcher einen Bericht der Bundesregierung zu dieser Frage eingefordert hatte.
In ihrer Antwort deutete die Bundesregierung zwar an, dass sie im Rahmen von Bündnispflichten nach Artikel 5 des NATO-Vertrages und Artikel 47 des EU-Vertrages eingreifen könnte, dies aber unter der Bedingung der Verfassungs- und Gesetzeskonformität sowie der Zustimmung des Bundestages. Vorläufig könnten die Streitkräfte nur bei unmittelbarer Gefahr eingesetzt werden, eine nachträgliche Zustimmung des Bundestages sei dann erforderlich. Ob dies vor einem eventuellen Kampfeinsatz geschehen würde, blieb offen.
Bereits bei der offiziellen Stationierung der Brigade Litauen Ende Mai hatte der Bundeskanzler Friedrich Merz Litauen seine unerschütterliche Unterstützung zugesichert, ebenso wie Verteidigungsminister Boris Pistorius. Der SPD-Fraktionssprecher Falko Droßmann hatte sogar betont: “Ein Angriff auf Litauen wäre ein Angriff auf uns. Dann sind wir im Krieg.“
Die litauische Rundfunkgesellschaft LRT befragte daraufhin verschiedene Bundestagsfraktionen. Die Meinungen variierten, wobei besonders die Äußerungen von Rüdiger Lucassen, dem verteidigungspolitischen Sprecher der AfD und ehemaligen Berufssoldaten, hervorstachen. Lucassen kritisierte die unklaren rechtlichen Rahmenbedingungen und die Notwendigkeit einer klaren Mandatierung durch den Bundestag.
Im hypothetischen Szenario eines unmittelbaren Angriffs könnte die Bundesregierung versucht sein, ohne vorherige Zustimmung des Bundestages zu handeln, was jedoch potenziell zur Missbilligung durch den Bundestag und zu massiven öffentlichen Protesten führen könnte. Möglicherweise würde ein vorheriges parlamentarisches Mandat von manchen Abgeordneten aufgrund der schwerwiegenden Tragweite des Militäreinsatzes zurückgewiesen werden.
Die Möglichkeit, dass der Bundestag in ein tatsächliches militärisches Szenario involviert würde, bleibt bestehen. Doch die realpolitischen Dynamiken und die schwer zu kalkulierenden öffentlichen Reaktionsschemata könnten weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Die Diskussionen um die deutsche Verteidigungsbereitschaft und parlamentarische Beteiligung spielen dabei eine kritische Rolle.
Mehr zum Thema – Kiesewetter erklärt Vorkriegszustand