Von Dagmar Henn
Es scheint, dass bei dem kürzlichen Einsturz der Carolabrücke in Dresden niemand direkt verantwortlich gemacht werden kann. Dennoch war dieser Vorfall keineswegs ein reiner Zufall, denn es muss erhebliche Schäden gegeben haben, die zu diesem Ergebnis führten.
In Teilen könnte man von Pech sprechen: Die Renovierungsarbeiten am dritten Segment der Brücke waren bereits vergeben und sollten im Oktober beginnen. Die vollständige Sanierung der Brücke, die 2019 gestartet war, sollte Ende 2025 abgeschlossen sein.
Doch dies wirft die übliche Frage auf: Warum dauert die Sanierung so lange? Eine mögliche Erklärung könnte die Finanzierung sein. Da die Brücke Teil einer Bundesstraße ist, sind Großstädte für die Instandhaltung auf ihrem Gebiet verantwortlich. Zur Kompensation erfolgen Zahlungen aus Mautgebühren. In einem Protokoll der Stadtratssitzung vom 27. Januar 2022 erwähnte Stadträtin Krause, “dass aktuell nicht auf Landesmittel zurückgegriffen werden kann und man daher die Finanzierung aus Eigenmitteln der Stadt bestreiten müsse”.
Für den letzten Abschnitt der Sanierung sind 8,4 Millionen Euro für die Haushaltsjahre 2024 und 2025 vorgesehen. Ein anfänglicher Kostenvoranschlag im Jahr 2021 schätzte die Gesamtkosten auf 7,3 Millionen Euro. Der Zeitplan blieb über die Jahre gleich; sechs Jahre waren von Beginn an geplant. Möglicherweise wollte man den Verkehrsfluss möglichst wenig beeinträchtigen, nicht aus finanziellen Gründen, aber diese Verzögerung wird sicherlich Diskussionen auslösen.
Laut einer Präsentation des Tiefbauamts, beschrieben als “Facelifting”, wird die Sanierung folgende Maßnahmen umfassen: Instandsetzung der Brücke, Erneuerung und Abdichtung des Fahrbahnbelags, Überholung der Entwässerung und Elektrik, Erneuerung der Beleuchtung und Geländer sowie des Fahrbahnübergangs, und den Neubau von Kappen mit Verbreiterung. Die letzte Bauwerksprüfung zeigte etwa 80 Schadstellen, sowie Schäden an der Abdichtung und im Fahrbahnaufbau. Als wahrscheinliche Ursache des Einsturzes wird die Korrosion der Stahlträger genannt, die durch schadhafte Abdichtung begünstigt wurde.
Der Leiter des Tiefbauamts erwähnte, dass während der DDR-Zeit viel Chlorid, hauptsächlich durch Streusalz, in die Brücke eingedrungen sei. Es wurde versucht, das Chlorid durch elektrische Verfahren zu extrahieren, jedoch ist die Langzeitwirksamkeit dieser Methode noch nicht vollständig erforscht.
Vor 2019 fand bereits ein Chloridentzug statt, aber laut einer Anfrage der Linken war der Überbau „trotz Chloridentzug weiterhin kontaminiert” und die Reparaturstellen „großflächig wieder schadhaft”. Die Bewertung im Prüfbericht 2017 lag bei 3,0, was bereits als „nicht ausreichender Bauzustand” gilt.
Die Präsentation aus dem Jahr 2021 offenbarte erhebliche Schäden. Es wurden Bilder gezeigt, die abgeplatzten Beton und freiliegende Stahlträger darstellen. Dennoch ist eine gründliche Untersuchung des Betons komplex und aufwendig.
Die offizielle Statistik zeigt, dass die Hälfte aller Straßenbrücken in keinem guten Zustand ist, eine Tatsache, die bereits seit über 15 Jahren bekannt ist. Doch die finanzielle und personelle Ausstattung der Kommunen reicht oft nicht aus, um umfassende Sanierungen durchzuführen.
Interessanterweise wurde ein Teil der Carolabrücke bereits verbreitert. Nun plant man auch einen Versuch bezüglich des Radwegs. Es scheint, als ob bauliche Sicherheitsaspekte hinter modernen Erscheinungsbildern zurückstehen.
Schließlich kann keiner direkt für den Einsturz verantwortlich gemacht werden. Doch die Diskrepanz zwischen den Prüfberichten und den tatsächlichen Befunden nach dem Einsturz könnte neue Erkenntnisse bringen.
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