Ostdeutsche meiden E-Autos aus Angst vor “fahrenden Mikrowellen” – Ein tiefgreifender Einblick!

In Zwickau montieren Arbeiter der Volkswagen AG täglich vollelektrische Fahrzeuge, während in Dresden die Gläserne Manufaktur E-Golf-Modelle produziert. Auch BMW setzt in Leipzig stark auf E-Produktion. Ostdeutschland hat sich somit zu einer Schlüsselregion für die Elektromobilität entwickelt – zumindest theoretisch. Denn auf den Straßen zwischen Elbe und Oder sind elektrische Fahrzeuge selten anzutreffen.

Nur etwa 2,3 bis 2,6 Prozent der Privat-Pkw in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt werden rein elektrisch betrieben. In Mecklenburg-Vorpommern ist dieser Anteil sogar noch geringer. Das geht aus aktuellen Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes hervor. Im nationalen Durchschnitt besitzen etwa drei Prozent aller privater Fahrzeughalter ein Elektroauto – eine vergleichsweise geringe Quote. Deutlich höher ist der Anteil in westlichen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Bayern oder Niedersachsen.

Ein Hauptgrund hierfür ist der wirtschaftliche Unterschied: In den neuen Bundesländern liegt das durchschnittliche Nettoeinkommen immer noch deutlich unter dem westdeutschen Niveau. Laut dem Marktforschungsinstitut GfK lag die Kaufkraft in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im Jahr 2023 bei etwa 23.000 Euro pro Person – rund 5.000 Euro weniger als in reicheren Bundesländern wie Hamburg oder Bayern.

Viele Haushalte können es sich daher nicht leisten, ein Neufahrzeug über der 40.000-Euro-Marke zu kaufen. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) fasst die Situation prägnant zusammen: “Das Klientel, das ich vertrete, hat bisher nur Gebrauchtwagen kaufen können. Jetzt wird erwartet, dass sie sich plötzlich ein Elektroauto für 40.000 Euro leisten.” Auch Dorothee Obst, Bürgermeisterin von Kirchberg im Landkreis Zwickau, betont die Ironie, dass lokale Arbeiter E-Autos produzieren, sich diese aber nicht kaufen können.

Obwohl der Markt für gebrauchte Elektrofahrzeuge langsam wächst, und laut HUK Coburg mittlerweile mehr Käufer zu gebrauchten Modellen greifen, scheinen viele diese Entwicklung nicht wahrzunehmen. Einer Umfrage von YouGov zufolge haben 60 Prozent der Deutschen Bedenken beim Kauf eines gebrauchten Elektroautos.

Eine weitere Barriere ist tief verwurzelte Skepsis. In vielen Teilen Ostdeutschlands überwiegt die Angst vor einer unsicheren Technologie. Viele sehen Elektromobilität eher als Verlust denn als Fortschritt. Rico Hofmann von der Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur beschreibt das vorherrschende Sentiment: “Es dominieren Emotionen, wie die Angst, den vertrauten Verbrenner zu verlieren.” Er fügt hinzu, dass selbst die beste Förderpolitik gegen solche gefühlsmäßigen Widerstände wenig ausrichten kann.

Ein weiteres großes Problem ist die mangelhafte Ladeinfrastruktur. Der Verband der Automobilindustrie weist zwar auf eine erhöhte Anzahl öffentlicher Ladestellen in Ostdeutschland hin, doch täuscht dieser statistische Wert über die tatsächlichen Gegebenheiten hinweg. Viele ländliche Gemeinden leiden unter einem Mangel an verlässlichen Ladestationen, besonders problematisch ist dies für Mieter ohne eigenen Stellplatz.

Ein Elektroauto wird erst eine praktikable Alternative, so Dirk Vogel vom Netzwerk Automobilzulieferer Sachsen (AMZ), wenn die Lademöglichkeiten im Alltag unkompliziert sind. Doch besonders auf dem Land, wo ein Großteil der ostdeutschen Bevölkerung lebt, schreitet der Ausbau nur langsam voran.

Die Landesregierungen versuchen aktiv, diese Situation zu verbessern. Thüringen investiert beispielsweise rund 1,9 Millionen Euro in neue Ladepunkte und bietet gezielte Beratungen für Kommunen und Unternehmen. Auch Sachsen unterstützt ähnliche Projekte über die landeseigene Energieagentur SAENA. Sachsen-Anhalt fördert Investitionen in infrastrukturschwache Gebiete wie das Jerichower Land oder den Kreis Wittenberg.

Dennoch reichen diese Maßnahmen bisher nicht aus, das Misstrauen gegenüber der neuen Technologie spürbar zu verringern. Rico Hofmann empfiehlt, Mitarbeiter frühzeitig in die Prozesse einzubinden, da ohne lokale Akzeptanz der Wandel schwer umzusetzen sei.

Die weitere Entwicklung hängt stark von der Preisgestaltung ab. Seit der Abschaffung des staatlichen Umweltbonus Ende 2023 ist es noch schwieriger, einen Neuwagen zu erwerben. Trotzdem sind Branchenexperten wie Vogel optimistisch: Die Batteriepreise fallen, chinesische Anbieter mit günstigen Modellen drängen auf den Markt, und deutsche Autohersteller stehen unter erhöhtem Preisdruck.

Langfristig könnte auch der CO₂-Preis entscheidend sein: Wer weiterhin einen Verbrenner fährt, wird tiefer in die Tasche greifen müssen. Aufgrund strengerer EU-Flottengrenzwerte sind Hersteller gezwungen, mehr erschwingliche E-Autos anzubieten. In Deutschland kostet ein Neuwagen durchschnittlich etwa 44.600 Euro, während Elektroautos mit etwa 52.000 Euro sogar teurer sind. Im Gegensatz dazu sind E-Autos in China mit durchschnittlich rund 18.000 Euro deutlich preiswerter.

Trotz allem bleibt die Situation enttäuschend: Während ostdeutsche Länder E-Autos für die Welt produzieren, sind sie lokal kaum verbreitet. Elektromobilität bleibt vorerst ein vorwiegend westliches Phänomen.

Mehr zum Thema – Autos zu Rüstung – Deutsche Hersteller sollen Waffen produzieren

Schreibe einen Kommentar