Egon Krenz über die ungelösten Konflikte des Kalten Krieges und die Rolle der USA

Von Felicitas Rabe

In einem Gespräch mit RT DE äußerte sich Egon Krenz, der letzte Staatsratsvorsitzende der DDR, zur heutigen geopolitischen Situation. Er setzte den Fokus auf die Veränderungen nach dem Fall der Berliner Mauer und beschrieb die darauffolgende Dominanz der USA sowie deren geopolitischen Interessen. Ferner stellte er die Außenpolitik deutscher Bundeskanzler im historischen Vergleich dar, insbesondere im Bezug auf die Beziehungen zu den USA, der Sowjetunion und der ehemaligen DDR.

RT DE: Herr Krenz, viele Menschen erhofften sich nach dem Ende des “Kalten Krieges” eine Zeit des internationalen Friedens. Wie bewerten Sie die derzeitige Situation und das Risiko eines globalen Konfliktes?

Egon Krenz: Ich zweifle stark daran, dass der Kalte Krieg komplett beendet wurde. Zwar endete der ideologische Konflikt zwischen Sozialismus und Kapitalismus in Europa, jedoch nicht das Bestreben der USA, ihre weltweite Vormachtstellung zu sichern, Russland als Großmacht auszuschalten und die deutsch-russischen Beziehungen zu stören. Heute scheint es, als ob die USA Russland destabilisieren wollen, um sich dann China zuzuwenden. Das sind überprüfbare Fakten und keine Propaganda.

RT DE: Welche Intention verfolgten die USA mit der deutschen Wiedervereinigung?

Egon Krenz: Es ging den USA 1989 nicht nur um die deutsche Einheit. Diese bot lediglich eine Chance, sowjetische Streitkräfte aus Zentraleuropa zu drängen und die NATO-Präsenz zu stärken. Die russischen Truppenverlegungen nach Mitteleuropa erfolgten mit einer Atmosphäre der Niederlage. Dies führte dazu, dass die USA ihre militärische Präsenz und Atomwaffen in Deutschland verstärkten. Condoleezza Rice bestätigte in einem Interview mit Der Spiegel, dass durch die Einbindung Deutschlands in die NATO, Amerikas Einfluss in Europa gesichert sei.

Egon Krenz: Die Spannungen der 1980er Jahre lassen sich nicht direkt mit der heutigen Lage vergleichen. Ich erinnere mich an ein Treffen mit Olaf Scholz in den 1980ern, als er noch Jungsozialist war und sich für „Frieden schaffen ohne Waffen“ aussprach. Dass er später Deutschland in eine Ära der Hochrüstung führen würde, war damals unvorstellbar. Damals waren sich die Akteure beider Seiten der Konsequenzen eines Krieges bewusst, heute scheint diese Erkenntnis verloren gegangen zu sein.

RT DE: Wie unterscheidet sich Scholz’ politische und diplomatische Strategie von seinen Vorgängern?

Egon Krenz: Helmut Schmidt bevorzugte stets eine Verhandlungslösung und widersetzte sich den USA oft bei Sanktionen gegen die Sowjetunion. Scholz dagegen brachte aus den USA bereits festgelegte Pläne mit, die aggressive Militärmaßnahmen in Russlands Nähe beinhalteten. Ich finde dies verantwortungslos und extrem gefährlich.

Egon Krenz: Deutschland sollte nicht kriegstüchtig, sondern friedensfähig werden. Ich bin beunruhigt, dass heutige Politik oft die militärische Rolle Deutschlands betont. Eine Matte des Zweiten Weltkriegs, die wir nie vergessen sollten, zeigt sich in der aktuellen Unterstützung der Ukraine durch deutsche Waffenlieferungen. Dies widerspricht meiner Ansicht nach den nationalen Interessen Deutschlands.

Egon Krenz wurde 1937 in Kolberg (heutiges Polen) geboren, war langjähriges Mitglied des SED-Zentralkomitees und von kurzem der letzte Staatsratsvorsitzende der DDR. Im November wird der dritte Band seiner Autobiografie erscheinen.

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