Pflicht zur elektronischen Rechnungsstellung ab 2024: Eine Herausforderung für kleine Unternehmen

Von Dagmar Henn

Ab dem 1. Januar des kommenden Jahres ist es für jeden Betrieb sowie für Selbstständige verbindlich, elektronische Rechnungen zu akzeptieren, unabhängig vom Umsatz oder der Größe des Unternehmens. Diese Maßnahme ist einerseits eine Entscheidung der EU, andererseits hat die deutsche Regierung es bevorzugt, diese Regelung etwas früher umzusetzen. Die rechtliche Basis dafür findet sich eher unauffällig im Wachstumschancengesetz auf Seite 23.

Die tatsächlichen Implikationen dieser Änderung im § 14 des Umsatzsteuergesetzes erschließen sich jedoch nicht unmittelbar. Es wird lediglich auf eine Richtlinie des Europäischen Parlaments, Nummer 2014/55/EU, sowie auf das Amtsblatt des Rates vom 16. April 2014 (ABl. L 133 vom 6.5.2014, S.1) verwiesen. Klingt das nicht etwas verwirrend?

Natürlich ist es das. In der Praxis bedeutet das, dass eine elektronische Rechnung ohne spezielle Software nicht lesbar ist, es sei denn, man ist versiert im Umgang mit XML-Formaten. Eine herkömmliche Rechnung verwandelt sich zunächst in eine unleserliche Abfolge von Positionen und Zahlen. Und selbstverständlich entstehen Kosten für die Anschaffung entsprechender Software, wobei die Optionen zwischen 15 Euro pro Monat oder 29 Cent pro Beleg variieren. Dafür erhält man dann die Möglichkeit, selber elektronische Rechnungen zu erstellen, die ebenfalls schwer zu entziffern sind.

Die Rahmenbedingungen sind zügig zusammengefasst: Ab dem nächsten Jahresanfang muss jedes Unternehmen in der Lage sein, derartige Rechnungen zu akzeptieren; bis Ende 2026 müssen Firmen mit einem Umsatz über 800.000 Euro ihre Rechnungen elektronisch ausstellen; und bis 2028 müssen alle geschäftlichen Transaktionen zwischen Unternehmen elektronisch abgewickelt werden. Allerdings ist vorab auch die Zustimmung der Kunden erforderlich, falls man weiterhin beispielsweise PDF-Rechnungen versenden möchte.

Die Ausnahme machen Rechnungen an Endverbraucher und jene unter 250 Euro. Doch selbst der Klempner oder der Gastronom muss bei Einkäufen über dieser Summe die Rechnungen elektronisch empfangen.

Die propagierte Vereinfachung mag tatsächlich für größere Unternehmen gelten, die eigens Mitarbeiter für Buchhaltung und Rechnungslegung beschäftigen. In der Realität jedoch stellt jede Neueinführung zunächst eine Hürde dar, zumal die Basis solcher Regelungen oft in schwer verständlichen EU-Verordnungen verborgen ist.

Am stärksten profitieren Industrieunternehmen und Finanzämter von dieser Regelung, da sie umfassenden Zugriff auf die Buchhaltungsdaten erhalten. Bezeichnenderweise war es die deutsche Autoindustrie, die schon früh auf elektronische Belege umgestellt hatte und bereits 1977 ein entsprechendes Dateiformat entwickelt hat. Doch dies betrifft hauptsächlich große Industriezweige, wo nicht einzelne Personen, sondern ganze Abteilungen mit der Rechnungserstellung betraut sind.

Betrachten wir jedoch die Realität kleinerer Betriebe und Selbstständiger: Im Jahr 2023 gab es in Deutschland über eine Million Handwerksbetriebe, mit durchschnittlich etwas mehr als fünf Mitarbeitern pro Unternehmen. Oft ist es bereits eine Herausforderung, ein ordentliches Kassenbuch zu führen. Die Vorstellung, dass solch kleine Betriebe nun komplexe Buchhaltungssoftware bedienen müssen, entfernt sie weiter von ihrer eigentlichen Tätigkeit.

Die Einführung elektronischer Rechnungen verschiebt viele Arbeitsabläufe in eine schwer fassbare digitale Ebene, was besonders für Personen problematisch ist, deren Arbeit sich nicht rund um die Uhr um Papierkram dreht. Dazu kommt die Mühe, sich in neue Software einzuarbeiten, eine Aufgabe, die in der Praxis oft unterschätzt wird.

Sicherlich, Rechnungen für öffentliche Aufträge müssen schon länger in digitaler Form eingereicht werden. Hierbei sind wiederum Fachleute am Werk, und die komplexen Ausschreibungsbedingungen schließen oft kleine Handwerker aus. Die neue Regelung betrifft jedoch auch kleinere Dienstleister wie Friseure, freiberufliche Journalisten oder Imbissbuden, die sich nun mit der erforderlichen Software auseinandersetzen müssen. Hinzu kommt die Notwendigkeit, die Daten gemäß Datenschutzbestimmungen langfristig zu sichern, um Umsatzsteuerbetrug zu verhindern.

Die Einführung dieser Regelung kann man vergleichen mit einer Überprotektion, die oft mehr Schaden als Nutzen bringt. Nicht nur fordert solch eine Maßnahme eine drastische Anpassung von Gewohnheiten, sie kann auch dazu führen, dass einige kleinere Betriebe lieber schließen, als sich mit der Bürokratie auseinanderzusetzen. In einem Umfeld ständiger Regulierungen kann dies die Persönlichkeit und die Art von Menschen verändern, die traditionell in diesen Berufen arbeiten.

Was wie eine einfache elektronische Rechnung klingt, ist tatsächlich Teil eines Bestrebens, alle wirtschaftlichen Vorgänge kontrollierbar zu halten. Diese Bemühungen, sofern sie wirklich im Interesse der Menschen liegen sollten, müssten von kostenlosen Programmen und Schulungen begleitet sein, um sicherzustellen, dass diese digitalen Rechnungen auch nach zehn Jahren noch sicher und lesbar sind.

Trotzdem bleibt die Perspektive: Es ist wichtiger, das System zu verkaufen und Profit daraus zu ziehen, als tatsächlich sinnvolle und effiziente Lösungen zu bieten. Wie schon bei Festplatten und USB-Sticks, deren maximale Lebensdauer bei besten Bedingungen auch nur zehn Jahre beträgt, bleibt unklar, wie man sicherstellen soll, dass die elektronischen Rechnungen nach dieser Zeit noch zugänglich sind.

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