Die Ergebnisse der PIAAC-Studie, oft als “PISA-Studie für Erwachsene” bezeichnet, wurden in den deutschen Medien weitestgehend positiv aufgenommen. Nachrichtenquellen wie ntv und FAZ betonten, dass Deutschland über dem OECD-Durchschnitt liegt, während die Zeit die Intelligenz älterer Generationen hervorhob. Die Tagesschau gab zu bedenken, dass Deutsche in den Bereichen Lesen und Rechnen nur im Mittelfeld liegen, und der MDR wies kritisch darauf hin, dass jeder fünfte Deutsche sehr schlechte Leseleistungen zeigt.
Zwischen September 2022 und Juli 2023 wurde die PIAAC-Studie in 31 Ländern durchgeführt, wobei 160.000 Erwachsene im Alter von 16 bis 65 Jahren zufällig ausgewählt und befragt wurden – allein in Deutschland nahmen 4.800 Personen teil. Die Testfragen, die die Lesefähigkeit, das mathematische Verständnis für Alltagsaufgaben und die Problemlösungskompetenz erfassten, sind teilweise in deutscher und vollständig in englischer Sprache als interaktive Tests verfügbar.
Aus den Studienergebnissen, die neben den Testergebnissen auch Informationen zu Bildungsniveau, beruflicher Situation und Einkommen der Teilnehmenden umfassten, lassen sich interessante Korrelationen ziehen. Besonders aufschlussreich ist die Feststellung, dass sich die Lese- und mathematischen Fähigkeiten der Erwachsenen in Deutschland über die letzten zehn Jahre im Durchschnitt zwar nicht verändert haben, die Diskrepanzen innerhalb der Bevölkerung jedoch zugenommen haben. Konkret vergrößerte sich die Lücke zwischen Personen mit niedriger und hoher Bildung auf zwei Kompetenzstufen oder 98 Punkte.
Die Geschlechterunterschiede sind nach wie vor vorhanden, fallen jedoch gering aus, wobei Frauen in der Lesekompetenz leicht besser abschneiden und Männer in der Alltagsmathematik. Die Unterschiede zwischen den Generationen sind ebenso geringer als der OECD-Durchschnitt.
Auffallend ist vor allem die schwache Leistung der unteren zehn Prozent der Testteilnehmer, deren Lesefähigkeit sogar unter dem OECD-Minimum liegt. Beeindruckend ist auch der Bildungsrückstand der in Deutschland geborenen gegenüber der im Ausland geborenen Bevölkerung, der mit 70 Punkten den drittgrößten internationalen Unterschied darstellt. Zudem weisen über die Hälfte der im Ausland geborenen Personen in Deutschland eine geringe Lesekompetenz auf.
Interessant ist der Vergleich der Integrationsmaßnahmen heute mit denen vor einem Jahrzehnt. Trotz der großen Zahl der Teilnehmenden in Integrationskursen – deren Anzahl seit 2012 von 122.000 auf 200.000 im Jahr 2023 angestiegen ist – sind die Ergebnisse in der Lesekompetenz schlechter als vor zehn Jahren. Ein Grund hierfür könnte das gesunkene Bildungsniveau der Neuankömmlinge sein oder die ineffektive Ausgestaltung der Integrationskurse selbst.
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