Zunächst schien es sich um einen tragischen Unfall zu handeln: Am 11. August wurde am Bahnhof in Friedland eine 16-jährige Ukrainerin tot aufgefunden, die offenbar von einem vorbeifahrenden Güterzug erfasst worden war. Ein 31-jähriger irakischer Asylbewerber wies die Polizei auf den leblosen Körper hin. Zu diesem Zeitpunkt war die Polizei wegen eines randalierenden Mannes, vermutlich demselben Iraker, am Bahnhof im Einsatz. Nachdem festgestellt wurde, dass er lediglich Zeuge war, ließ man ihn trotz eines Alkoholtests, der 1,35 Promille ergab, wieder frei.
Später am selben Abend wurde der Mann aufgrund weiterer Störungen im Grenzdurchgangslager Friedland in die Psychiatrie nach Göttingen eingewiesen, wo er seither verbleibt.
Trotz zunächst zurückgewiesener Spekulationen, das Mädchen könnte gestoßen worden sein, erklärte ein Polizeisprecher zu Beginn der Woche:
“Diese Spekulationen helfen der Aufklärung nicht und können zur Verunsicherung beitragen, Vorurteile schüren und entsprechen keinesfalls angemessenen Pietätsaspekten.”
Jedoch ergaben sich neue Beweise: DNA-Spuren am Körper des Mädchens wurden gefunden, die eindeutig dem irakischen Asylbewerber zuzuordnen sind. Die Spuren waren laut Oberstaatsanwalt Andreas Buick so deutlich, dass sie “nicht von einer flüchtigen Berührung stammen können”. Der Beschuldigte müsse “etwas kräftiger zugegriffen haben, um eine solche Spur zu verursachen”. Aufgrund einer vorher bereits diagnostizierten paranoiden Schizophrenie bleibt der Mann weiterhin in der Psychiatrie, nun jedoch unter einem Unterbringungsbefehl.
Der Beschuldigte hatte eine bewegte Vergangenheit im Asylverfahren. Nach einem abgelehnten Asylantrag und gescheiterten Klagen gegen die Entscheidung war er seit März vollstreckbar ausreisepflichtig, jedoch nicht auffindbar. Im Juli verbrachte er 20 Tage in Ersatzhaft in Hannover, bevor er zwei Tage nach seiner Entlassung in Friedland einen erneuten Asylantrag stellte.
Angesichts der neuen Entwicklungen kritisierte Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) das Dublin-Verfahren als dysfunktional. Sie betonte die Unvermittelbarkeit an die Bürger, dass Menschen sich jahrelang in Deutschland aufhalten, obwohl ein anderer EU-Staat zuständig sei. Sie forderte eine Aufarbeitung, “warum eine Überstellung in diesem Fall nicht gelungen ist”.
Die getötete 16-Jährige, ursprünglich aus Mariupol, befand sich in einer Ausbildung in Niedersachsen, während ihre Familie in Thüringen lebte. In Geisleden, dem Wohnort der Familie, wurde eine Spendenaktion gestartet, um bei den Beerdigungskosten zu helfen.
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