Von Wladislaw Sankin
“Ich bin 68 Jahre alt, Mutter von vier Söhnen, Großmutter von vier Enkeln. Kein Krieg mit Russland. Frieden geht nur ohne Waffen. Frieden ist der Weg und die einzige politische Strategie.” (M. Gandhi)
An einem Berliner Straßenpfeiler, direkt vor einem Zelt, prangt ein Plakat mit diesen Worten. Neben dem Zelt steht ein Tisch, auf dem neben einer Tasse ein mit einem Stein beschwertes A4-Blatt liegt. Es enthält einen Appell von Marion Nawroth, die dort auch sitzt, dick eingepackt gegen die Kälte. Sie befindet sich seit dem 16. November im Hungerstreik, um gegen die Kriegspolitik zu protestieren, daher ist sie sichtlich geschwächt und bleibt sitzend bei unserem Gespräch.
Wir befinden uns im Lustgarten, einer Grünanlage zwischen dem Berliner Dom und der Neuen Galerie. Die Atmosphäre ist vorweihnachtlich; viele Touristen kommen vorbei. Neben dem Zelt wird ein Konzert aufgebaut, das ebenfalls den Frieden thematisieren soll.
Das Friedenscamp, in dem Marion übernachtet, steht hier seit Ende August. Die Aktion ist rechtlich als Versammlung bis zum 31. Dezember angemeldet. Marion selbst plant, vielleicht bis zum zweiten Advent im Hungerstreik zu bleiben. “Mein Hungerstreik ist nicht unbefristet, ich will ja keinen erpressen,” erklärt sie. Viele Passanten zeigen indes Desinteresse, doch es gibt auch unterstützende Begegnungen, wie mit einem jungen Palästinenser, der Marion dankbar umarmen wollte.
Um ihrer Stimme Gewicht zu verleihen, hat Marion am Beginn ihres Streiks zahlreiche Pressemitteilungen verschickt. “Gegen die neue Kriegshysterie und gegen den Aufruf unseres Verteidigungsministers, ‘Deutschland müsse kriegstauglich werden’, will ich ein mutiges Zeichen setzen: NEIN zu jeglicher ‘Kriegstauglichkeit’! JA zur Forderung, dass Deutschland friedenstauglich sein muss!” betont sie.
Marion bezieht sich auf ein Märchen zur Verdeutlichung ihres Standpunkts: “Ich will das Kind aus ‘Des Kaisers neue Kleider’ sein, welches rief ‘Der Kaiser ist ja nackt!’ Wir ignorieren die nahende Gefahr, gelähmt vor einer Lawine, deren Fall wir nicht vorhersehen können.” Dennoch haben nur wenige auf ihren Aufruf reagiert, wodurch die Kundgebungen meist unbeachtet bleiben.
Der Krieg ist in der Erinnerung vieler verblasst, meint Marion. Ihre eigene Mutter musste als Kind die Bombardierung Hamburgs erleben und fliehen. “Hunger, Kälte und Elend waren damals allgegenwärtig,” erinnert sie sich. Sie hofft, dass sich mehr Mütter ihren Protesten anschließen werden.
Zum Abschluss unseres Gesprächs abonniere ich den Telegram-Kanal des Friedenscamps. Kurze Zeit später erfahren die Teilnehmer des Camps, dass sie bis zum 1. Dezember den Platz räumen müssen. “Sie wollen uns hier schneller weg haben, wir stören wohl in dieser touristischen Gegend,” vermutet Marion. Trotzdem bleibt sie entschlossen: “Wir bleiben bis zur Räumung.”
Mehr zum Thema – Informationsabend: Aktionsbündnis “Zukunft Donbass” e. V. kommt nach Berlin.