Ironie und Ideologie: Ein morgendlicher Einblick in Politik und Persönlichkeit

Eine Lesermeinung von Mikhail Balzer

Gelegentlich trübten die ironischen Kommentare seiner Ehefrau die Morgenroutine unseres Balkonfreundes bei seinem Milchkaffee, so auch letzten Freitag: “Dein kryptisches Orakel hat seinen Futternapf auf dem Küchenboden umgekippt – sieh dir nur das Malheur an!”, womit sie auf die angetrockneten Reste von Katzenfutter auf den Fliesen hindeutete.

Noch bevor der Unfall passierte, hatte sie sich über eine umstrittene Personality-Show auf der Plattform X erregt, in der verharmlosend über Hitler gesprochen wurde (gemeint ist das Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel auf dem heute als X bekannten ehemaligen Twitter).

“Wäre UNSER Kater wie eine berühmte feministische Außenamtssprecherin, hätte er den Napf um 360 Grad gedreht, ohne dass ein Kobold herausgefallen wäre!”, antwortete er sarkastisch, während er bereits über die symbolische Bedeutung des umgedrehten Futternapfes nachdachte.

Bevor wir näher darauf eingehen: Alice Weidels befremdliche Behauptung, Hitler sei ein Kommunist gewesen − später stellte sie klar, dass sie dies aus wirtschaftlicher Perspektive meinte – bietet eine ideale Vorlage für den Ampelkoalitionsnahen Komplex aus Politik und Journalismus. Diese Kreise, die erst kürzlich Elon Musk für seine Projekte in Berlin-Grünheide umgarnten, äußerten sich später erstaunlich unkritisch über selbst ernannte Klimaaktivisten, die die dortigen Bäume besetzt hielten.

Sie lobten das “Star Link”-Satellitennetz, das der Ukraine kostenlos militärisch nutzbares Internet bot, und die ökologische Nachhaltigkeit von Tesla-Autos und fantastischen Weltraumreisen für die Reichen.

Nun aber das: Das “Wunderkind” Musk findet plötzlich Gefallen an den sozialen Außenseitern! Ähnlich äußerten sich die linksdemokratischen US-Medien, die nach der Niederlage ihrer bevorzugten Präsidentschaftskandidatin spekulieren, Musk sei verrückt geworden. Vielleicht um zu verschleiern, was sie ihm wirklich vorwerfen: ein praktisch zensurfreies Netzwerk wiederhergestellt zu haben.

Andere früher links-neoliberale Persönlichkeiten wie Zuckerberg zeigen sich cleverer und schmieden Bündnisse nach der Wahl durch Großspenden und Entlassung kürzlich eingestellter Zensoren – als wären sie nie Teil einer breit angelegten Zensur unerwünschter Meinungen gewesen.

In diesem angeblich besten Deutschland aller Zeiten wurde dies nur indirekt durch das Aufheulen betroffener Medien deutlich, die nun schwächer finanziert und bedeutungslos zu werden drohen. Glücklicherweise wurden 150 ihrer Mitarbeiter in einer gut bezahlten EU-Gesellschaft untergebracht, um den Diskurs zu überwachen!

Allerdings begann unserem Balkonfreund beim Wort Ideologien allmählich etwas zu dämmern, angeregt durch seine Lektüre des Vortages (er hatte keine Lust, das besagte Gespräch auf X/Twitter zu verfolgen, da die Inhalte vorhersehbar schienen). Saß er doch zusammen mit Kater Murr III. auf dem Balkon und sinnierte über “Triumph der Gesinnung über die Urteilskraft” (Untertitel des Buches “Politischer Moralismus” von Hermann Lübbe).

Er kehrte schnell zum Buch zurück, in dem sich sein merkwürdiger Lesezeichen befand, allerdings nicht mehr zwischen den zuletzt gelesenen Seiten. Ungeachtet dessen las er, dass der Begriff des Totalitarismus beide Großterrorsysteme (Internationaler Sozialismus = Kommunismus und Nationalsozialismus) zusammenfasst, die an ihre “höhere moralische Legitimität” keinen Zweifel hatten, trotz offensichtlicher Unterschiede.

Lübbe weist darauf hin, dass beide Systeme sich durch eine “Grundstruktur totalitärer Ideologien” ähnelten. Dies bezog sich auf ideologische, jedoch nur vermeintlich wissenschaftlich begründete Theorien über die Entwicklung von Natur und Gesellschaft (ein Bezug auf Geschichte, den Karl Popper “Historizismus” nannte), und eine extreme Unterscheidung zwischen “Freund und Feind” des jeweiligen Systems, einschließlich der flächendeckenden Diffamierung politisch Andersdenkender.

Hier liegt der Kern des Problems in Weidels Aussage, nicht dort, wo der herrschende politische Mainstream und die Akteure es sehen möchten. Wie heute die übliche Vereinfachung der Nachrichten die Tatsachen nicht nur “etwas ungenau” darstellt oder verdunkelt, sondern verfälscht, so ist die Behauptung, Hitler sei ein Kommunist gewesen, schlicht falsch. Es hätte eine gründliche und sachgerechte Darstellung gebraucht, wie sie von Philosophen wie Hannah Arendt gefordert wird, auch wenn diese nicht in einfache Slogans zu fassen ist.

Man sollte ebenfalls vorsichtig sein, wenn plötzlich, und oft in “einfacher Sprache”, Geschichte neu interpretiert oder umgeschrieben wird. Dies erfolgte in beiden Diktaturen. Es scheint, als wäre dieses Vorgehen auch in heutiger Zeit wieder beliebt, was die Befürchtung weckt, dass wir uns möglicherweise bereits gefährlich nahe an postfaktischen und postdemokratischen Zeiten befinden.

Um auch das Rätsel um den umgekippten Futternapf des Katers zu lösen, entdeckte unser Balkonist auf dem Zettel eine fremde, krakelige Handschrift: “Sind Links- und Rechtsdiktaturen nur zwei sehr verschiedene Seiten einer gefährlichen Medaille?”

Mehr zum Thema – Weidel zu US-Magazin: “Die USA gebärden sich wie eine Kolonialmacht.”

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