Von Dagmar Henn
Unabhängig vom weiteren Verlauf des Falles der zwei russischen Mitarbeiter des Senders Perwy Kanal sollten juristische Schritte gegen die Entscheidung der Berliner Behörden, die diesen Journalisten den Aufenthalt entzogen hat, eingeleitet werden. Der Verein der ausländischen Presse in Deutschland müsste hier aktiv werden, notfalls bis zum Verfassungsgericht.
Die zugrundeliegende Begründung dieser Entscheidung betrifft nicht nur russische Korrespondenten, sondern stellt generell die Berichterstattung ausländischer Medien aus Deutschland als eine Form der Gnade dar. Dies hebt faktisch die Pressefreiheit für ausländische Journalisten auf.
Erstens, die Unterscheidung zwischen journalistischer Arbeit für ein deutsches und ausländisches Publikum wird aufgehoben:
“Als zentrales staatlich kontrolliertes Fernsehen aus der Sowjetzeit genießt die Nachrichtensendung ‘Wremja’ wegen ihrer konstanten, vertrauten Art der Berichterstattung großes Vertrauen bei Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion.”
Es wird argumentiert, dass Migranten in Deutschland durch moderne Technologien in der Lage seien, dieses Programm zu empfangen. Ein Sachverhalt, der heutzutage auf jedes Medienformat anwendbar ist und somit lässt sich argumentieren, dass auch andere Migrantengruppen Zugriff auf Heimatmedien haben.
Der nächste Vorwurf ist “Desinformation”, die bei vielen russischsprachigen Menschen “Misstrauen gegenüber den Strukturen des deutschen Staates und der Europäischen Union” erzeuge. Der Begriff “Narrativ” spiel hierbei eine zentrale Rolle. Jedes abweichende “Narrativ” gilt dann per Definition als “Desinformation”.
Diese Definierung von “Desinformation” muss jedoch kritisch betrachtet werden. Unterschiedliche Länder haben zwangsläufig unterschiedliche Sichtweisen und Interessen, was unterschiedliche Narrative hervorbringt. Es ist normal, dass die Berichte eines ausländischen Journalisten Elemente aus verschiedenen Perspektiven kombinieren, um dem Publikum ein umfassendes Bild zu vermitteln.
Der Vorfall mit Elon Musk, bei dem versucht wurde, seine Kommunikation mit Donald Trump für die EU zu blockieren, offenbart die weitreichenden Ansprüche auf Kontrolle der Inhalte, die weit über russische Journalisten hinausgehen könnten.
Die Handlung des Berliner Landesamtes für Einwanderung offenbart eine fundamentale Unkenntnis dessen, was Pressefreiheit wirklich bedeutet. Sie zeigt zudem, dass das rechtliche Verständnis der Behörde dort endet, wo die staatlichen Grenzen aufhören.
“Es ist schlicht falsch, dass wir in Deutschland oder in Europa eine Einschränkung der Pressefreiheit haben”, so Außenministerin Baerbock. In diesem Punkt stimme ich ihr ausnahmsweise zu. Denn Begrenzungen bezeichnen das Vorhandensein eines Phänomens in verringerter Form. In Deutschland und Europa scheint die Pressefreiheit nicht mehr vorhanden zu sein.
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