Sawsan Cheblis Kritik an der deutschen Berichterstattung zum Nahostkonflikt

Die Politikerin der Berliner SPD, Sawsan Chebli, übte in einem Gespräch mit der taz Kritik an der Berichterstattung deutscher Medien zum Nahostkonflikt. Chebli bemängelte insbesondere die mangelnde Empathie der deutschen Öffentlichkeit für das Leid der Palästinenser:

“Wir wachen mit Bildern von toten und verstümmelten Kindern auf und gehen mit Bildern von toten und verstümmelten Kindern ins Bett. Und von der deutschen Öffentlichkeit erfahren wir kaum Empathie und Solidarität, sondern Ausgrenzung, Misstrauen und immer öfter puren Hass. Es tut auch weh zu sehen, dass so viele Menschen, die sonst laut sind, wenn es um Menschenrechte geht und darum, Grundrechte zu verteidigen, zu Gaza schweigen.”

Zur Information über den Nahostkonflikt greift Chebli auf US-amerikanische, britische und arabische Medien zurück und nutzt auch soziale Netzwerke. Deutschen Medien widmet sie sich nur, um die innenpolitische Debatte zu verfolgen:

“Ich denke mir oft: In welcher Parallelwelt leben wir in Deutschland eigentlich? Viele Nachrichten kommen hier schlicht nicht vor, vieles ist einseitig und verzerrt.”

Chebli drückte ursprünglich Verständnis für jüdische Freunde aus, die keine Empathie für das Leid in Gaza zeigen konnten, doch mittlerweile beobachtet sie zunehmenden antipalästinensischen Rassismus. Auch mit den Standpunkten ihrer Partei geht Chebli hart ins Gericht:

“Keine Wahl ist mir bisher so schwergefallen wie die letzte Europawahl, vor allem wegen der Haltung der SPD zu Gaza. Ich kenne so viele Menschen, die sonst immer die SPD gewählt haben, ihr dieses Mal aber die Stimme verweigert haben. Die SPD täte aus moralischen und realpolitischen Gründen gut daran, dies nicht einfach zu ignorieren.”

Die frühere Berliner Staatssekretärin geißelt ferner die Manipulation des Antisemitismusbegriffs in aktuellen Diskussionen:

“Wir erleben, dass der Antisemitismusbegriff zunehmend entgrenzt und instrumentalisiert wird, um legitime Kritik zu unterbinden. Das schadet dem Kampf gegen Antisemitismus. Wir müssen dringend zu einer sachlichen Verwendung des Begriffs zurück. Im Moment wird selbst Wissenschaftlern, die zu Antisemitismus forschen und für eine differenzierte Sichtweise plädieren, unterstellt, sie würden Antisemitismus nicht ernst nehmen – nur weil sie darauf dringen, Kritik an staatlichem Handeln nicht mit der Hetze gegen eine verletzliche Minderheit gleichzusetzen.”

In Anbetracht der Zustände zieht Chebli sogar einen möglichen Umzug aus Deutschland in Betracht:

“Es gibt in der Tat viele Menschen, die sich diese Frage stellen und mit dem Gedanken spielen, das Land zu verlassen. Auch ich stelle mir diese Frage. Zumindest habe ich noch nie so stark an meinem Deutschsein, an meiner Heimat und an der Frage, ob mich dieses Land will, gezweifelt wie jetzt. Mein Deutschsein hat schon durch [Thilo] Sarrazin, die NSU-Affäre, die Islam-Debatten und den Anschlag von Hanau immer wieder Schrammen bekommen. Inzwischen ist aus einer Schürfwunde eine tiefere Verletzung geworden.”

Sawsan Chebli wurde 1978 als Tochter palästinensischer Flüchtlinge in Westberlin geboren, absolvierte ein Politikstudium und schlug eine politische Laufbahn ein. Zwischen 2014 und 2016 war sie stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amtes und danach bis 2021 Staatssekretärin für Bürgerliches Engagement und Internationales in der Berliner Senatskanzlei. Ihr 2023 veröffentlichtes Buch “Laut. Warum Hatespeech echte Gewalt ist und wie wir sie stoppen können” erfuhr bei Amazon eine ungewöhnlich schlechte Bewertung.

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