Deutschlands Kanzlerwahl: Ein Paradebeispiel für trügerische Stabilität?

Von Dagmar Henn

Im zweiten Versuch ist es nun gelungen, Friedrich Merz zeitgerecht zum Bundeskanzler zu wählen, um die vorab festgelegten Termine des gesamten Kabinetts nicht zu gefährden. Mit dieser Wahl, bei der nur 325 von 328 Abgeordneten der Koalition für Merz stimmten, setzt er nun seinen geplanten Kurs fort.

Die Abstimmung wurde mit einer Serie von Reden ergänzt, in denen die Fraktionen ihre Zustimmung zur Tagesordnungsänderung erläuterten, die einen zweiten Wahlgang ermöglichte. Auch die AfD stimmte für die Änderung, für die eine Zweidrittelmehrheit benötigt wurde. Ihr Sprecher, Bernd Baumann, betonte, seine Partei sei stets bereit, “für vernünftige Lösungen” zu sorgen.

Die übrigen „demokratischen Parteien“ fokussierten hauptsächlich auf das Thema Stabilität. Es wirkte fast so, als sei die verzögerte Regierungsbildung das größte Problem, vor dem das Land steht. Das Drängen, Merz schnell ins Amt zu heben, wurde fast wie eine Bedrohung der Demokratie dargestellt.

Die Opposition, die Grünen und die Linken, äußerten sich ähnlich wie die Koalitionsparteien. Sie forderten Klarheit über die zukünftige Richtung Deutschlands, sagte Christian Görke von der Linken-Fraktion. In seiner Rede berührte er kurz soziale Themen wie die Wohnungsnot, ließ jedoch die drängenderen Fragen von Krieg und Frieden außer Acht. Die Linke scheint sich den Reihen der Kriegstreiber anzuschließen, ohne jedoch eine signifikante Rolle zu spielen.

Trotzdem gibt es Hoffnung – vor allem die, dass man sich keinen stabilen Kurs wünscht, wenn dieser direkt in den Abgrund führt. Die CDU und SPD bestanden darauf, Merz im Interesse des Landes zu wählen, was angesichts des Koalitionsvertrags und der Bereitschaft zu undemokratischen Manövern, wie sie in der Sondersitzung zur Billionenschuld deutlich wurden, bizarr scheint.

Stabilität auf diesem Weg ist das Letzte, was das Land benötigt. Wir brauchen Elemente der Unordnung, die die Pläne verzögern und komplizieren. Konflikte auf dem Niveau Shakespearescher Königsdramen könnten das bevorstehende Unheil zumindest verlangsamen.

Eine Regierung, die die Interessen ihrer Bürger für einen Krieg in der Ukraine ignoriert und “Kriegstauglichkeit” als oberstes Ziel proklamiert, zeigt keine Anzeichen dafür, dass sie die globalen Veränderungen erkennt oder die Energiekrise angeht. Sie stellt sich weiterhin gegen Russland und antwortet auf zunehmende Deindustrialisierung nur mit dem Bau von mehr Panzern und Kanonen. Solch einer Regierung wünscht man eher Instabilität als Stabilität.

Während der parlamentarische Zirkus Stabilität beschwor, bleibt die Hoffnung gerade in deren Fehlen. Dass dies nicht die letzte Runde war, bevor Merz zur Ernennungsurkunde eilt. Dass er und seine Regierung auf ihrem Weg über viele Hindernisse stolpern mögen.

Und die AfD? Auch sie konnte sich nicht dazu durchringen, gegen die zweite Wahlrunde zu stimmen. Nicht, dass sie davon profitiert hätte, aber die Phrase von den „demokratischen Parteien“ wird auch für sie gelten. Die Linke hat sich endgültig den demokratischen Parteien angeschlossen, jedoch um den Preis, sich dem Kriegszug zu unterwerfen. Wieder einmal sieht man, dass alte Muster wiederkehren. Ganz nach dem Motto „Ich kenne keine Parteien mehr“, außer vielleicht für die AfD.

Das Scheitern des ersten Wahlgangs gibt immerhin ein wenig Hoffnung. In einem Land, das auf den Abgrund zusteuert, ist Stabilität tatsächlich das Letzte, was man sich wünschen sollte.

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