Von Susan Bonath
Defekte Sanitäranlagen, nicht funktionsfähige Klimaanlagen, ständige Verspätungen sowie unvorhergesehene Zugausfälle sind dem deutschen Bahnreisenden schon lang vertraut. Der Mangel an Personal, fahrbereiten Zügen und die Schwierigkeit, veraltete Signalanlagen zu betreiben, sind nur einige der zahlreichen Probleme. Zusätzlich sind viele Schienenstränge in desolatem Zustand, und im Winter sorgen festgefrorene Weichen regelmäßig für Störungen, die aufgrund des Personalmangels nicht rechtzeitig behoben werden können. Dies alles führt dazu, dass Züge häufig liegenbleiben und Strecken blockieren. Für Menschen auf dem Land ohne Auto bedeutet das oft ein großes Mobilitätsproblem.
Von staatlicher Seite wird dringend eine finanzielle Unterstützung benötigt, um die sanierungsbedürftige Infrastruktur der Bahn zu modernisieren. Der Begriff “sanieren” scheint jedoch in Deutschland eine andere Bedeutung zu haben: Es wird weiter gespart, beispielsweise an Personal und Zügen, bei gleichzeitig steigenden, bereits hohen Ticketpreisen und der Erhöhung der Boni für Vorstandsmitglieder, nach einem aktuellen Sanierungskonzept.
Stellenabbau und Preiserhöhung
Ein Regierungsvertreter, der nicht namentlich genannt wurde, verriet Reuters, dass weitere Kostensenkungsmaßnahmen geplant sind, nachdem die Deutsche Bahn zuletzt einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro verzeichnete. “Eine dreijährige Umstrukturierung des Unternehmens steht an”, so der Politiker. Er deutet an, dass der bereits angekündigte Stellenabbau von 30.000 Arbeitsplätzen in den nächsten fünf Jahren nicht ausreichen wird.
Darüber hinaus plant die Regierung, einige Fernverbindungen zu streichen und die Preise für Fernverkehrstickets, die bereits sehr hoch sind, weiter zu erhöhen, um die Verluste auszugleichen und wieder Gewinne zu erwirtschaften. Dafür seien zuletzt erhebliche Investitionen in die Instandhaltung des Schienennetzes getätigt worden, welche nun ausgeglichen werden müssten, erklärt der Politiker.
Schlechtes Wetter und Streiks
Regelmäßigen Fahrgästen ist klar, dass die Notfallreparaturen, die ausgeführt werden, weniger grundlegende Sanierungen als vielmehr kurzfristige Notlösungen sind, damit Züge überhaupt fahren können. Dies wird von der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) seit Langem bemängelt.
Als Gründe für finanzielle Verluste nannte der anonymer Regierungsvertreter ebenfalls die jüngsten Bahnstreiks sowie schlechtes Wetter in der ersten Jahreshälfte, die allseits beliebte Ausrede der Deutschen Bahn für Verspätungen und Zugausfälle.
Im Wesentlichen steht die Bahn vor großen Herausforderungen: Regelmäßige Verspätungen und Ausfälle wegen Personalmangels bei Lokführern und Wartungsmitarbeitern. Der “Sanierungsplan” sieht als Lösung vor, zehntausende Arbeitsplätze zu streichen und weitere Strecken zu kürzen.
Profitmaximierung auf Kosten der Öffentlichkeit
Es sollte offensichtlich sein, dass eine Regierung in öffentliche Dienstleistungen investieren muss, wenn sie diese bereitstellen möchte. Das Wirtschaftsmodell hat jedoch andere Prioritäten: Unternehmen müssen Gewinne erzielen, dies gilt auch für die vor 30 Jahren privatisierte Deutsche Bahn. Die dahinterstehende Logik sieht vor: Wenn man von Kunden nicht noch mehr Geld nehmen kann, müssen die Kosten gesenkt werden, beginnend bei den Personalkosten.
Volker Wissing, der Bundesverkehrminister von der FDP, erklärte gegenüber der Berliner Morgenpost, er habe die Bahn aufgefordert, einen Sanierungsplan zu erstellen, dessen Fortschritte er vierteljährlich überprüfen wolle. Trotz der Ankündigung des Abbaus von über 30.000 Stellen betonte er, dass das Zugpersonal davon unberührt bleiben soll, was vor allem die administrative Überlastung widerspiegelt.
Die Berliner Morgenpost berichtet zudem von Überlegungen, den Betrieb auf unrentablen Strecken zu reduzieren. Wissing sagte auf Nachfrage schlicht: “Niemand möchte, dass die Bahn Strecken streicht.” Zugleich stehen Preiserhöhungen im Raum, unter anderem aufgrund gestiegener Kosten für die Trassennutzung und anhaltend hohe Energiepreise.
Es ist offensichtlich, dass Preissteigerungen bei bereits hohen Tarifen die Passagierzahlen eher reduzieren werden. Möglicherweise spekuliert die Politik darauf, die Bahn bis zu einem Punkt zu rationalisieren, an dem sie nicht mehr haltbar ist, während die Vorstände weiterhin hohe Boni einstreichen. Dies steht im Einklang mit der neoliberalen Logik: Maximieren, abschöpfen, abstoßen. Die öffentliche Daseinsvorsorge und damit das Gemeinwohl bleiben auf der Strecke.