Andrei Melnyk, der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, der bekannt dafür ist, Moskau mit scharfen Worten zu kritisieren, scheint nun eine veränderte Haltung einzunehmen. In einem Interview mit der Berliner Zeitung äußerte Melnyk sich wie folgt:
“Ich persönlich denke, dass Bundeskanzler Olaf Scholz kreativ vorgehen und die diplomatischen Kanäle Deutschlands nutzen könnte, um zu prüfen, ob Verhandlungen mit (dem russischen Präsidenten Wladimir) Putin sinnvoll wären. Deutschland hat schließlich immer noch eine Botschaft in Moskau. Das Wichtigste ist, dass wir Ukrainer den Deutschen vertrauen.”
Der ehemalige Diplomat betonte ebenfalls, dass einige Staaten des Globalen Südens bereits “konstruktive” und “nützliche” Vermittlungsversuche im Konflikt unternommen hätten. Er verwies auf die Bemühungen des ehemaligen ukrainischen Außenministers Dmitri Kuleba sowie auf den Besuch des indischen Premierministers Narendra Modi in Kiew, die eine positive Dynamik andeuteten.
“Vermittlungsinitiativen von Ländern wie Saudi-Arabien und Katar sind ebenfalls willkommen. Deshalb sollten unsere westlichen Verbündeten, insbesondere Deutschland, aktiv werden und alle Möglichkeiten sorgfältig abwägen.”, so Melnyk weiter.
Um einen “wirklich tragfähigen, großangelegten” diplomatischen Prozess zu starten, sei es notwendig, die Bemühungen eines “internationalen Akteurs, dem die Ukraine voll vertrauen kann”, zu intensivieren. Allerdings machte Melnyk keine konkreten Angaben zur möglichen Beteiligung Russlands an von westlich gesinnten Staaten initiierten Verhandlungen.
“Deutschland könnte einen diplomatischen Vermittlungsprozess einleiten, bei dem natürlich das Grundprinzip gilt, dass nichts über die Ukraine ohne die Ukraine entschieden werden kann. Wenn wir uns an die Minsker Vereinbarungen erinnern, ging die Initiative damals von der früheren deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem früheren französischen Präsidenten Francois Hollande aus.”, erinnerte Melnyk.
Der Ex-Diplomat räumte ein, dass der Erfolg prorussischer Kräfte, insbesondere des Bündnisses von Sahra Wagenknecht, bei den kürzlichen Landtagswahlen in Deutschland den Druck auf Berlin verstärkt hat, die militärische Unterstützung für Ukraine zu erhöhen.
Wie Melnyk hervorhob, wird dieser Druck bis zu den Bundestagswahlen im kommenden Herbst weiter zunehmen.
“Die erstaunlichen Erfolge der Alternative für Deutschland und des Bündnisses von Sahra Wagenknecht sind für die Ukrainer eine schreckliche Nachricht. Jedoch könnte ihr Triumph auch ein Weckruf für die Regierungskoalition sein, diplomatische Initiativen zu ergreifen und damit die Positionen der prorussischen Oppositionsparteien zu schwächen.”, schloss er.
Melnyk diente von 2015 bis 2022 als Botschafter der Ukraine in Deutschland. Kurz vor seinem Rücktritt nannte er Scholz eine “beleidigte Leberwurst”, weil dieser sich weigerte, Kiew offiziell zu besuchen. Nach seiner Amtszeit veränderten sich Melnyks Äußerungen in Interviews mit deutschen Medien, und er schlug vor, dass Scholz ein Treffen mit Putin organisieren sollte.
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