Von Gert Ewen Ungar
Durch den Rücktritt der Ampelkoalition sieht sich Bundeskanzler Olaf Scholz genötigt, Neuwahlen anzukündigen und damit das Postengerangel und die Parteifluktuationen anzufeuern. Auf den ersten Blick wirkt dies wie politisches Chaos, doch es verbirgt eine tiefere, logische Struktur.
Die erneute Wahl von Donald Trump in den USA signalisiert einen Rückzug aus der finanziellen Unterstützung des Ukrainekriegs. Dies war bereits in Joe Bidens Amtszeit zu spüren, obwohl es dort zurückhaltender formuliert wurde. Trump hat deutlich gemacht, dass er keine Verlängerung des Konflikts wünscht und behauptet, den Krieg binnen eines Tages beenden zu können. Er plant, die Waffenlieferungen zu stoppen und seine Unterstützung für die Ukraine einzustellen. In der EU wird diese mögliche Beendigung des Kriegs jedoch als Bedrohung und nicht als Chance gesehen.
Die Reaktion aus Deutschland ließ nicht auf sich warten: Mehrere Politiker der etablierten Parteien sprachen sich gegen einen Diktatfrieden aus. Unter einem solchen verstehen sie Zugeständnisse an die Sicherheitsinteressen Russlands. Dies würde beinhalten, dass die Ukraine zu einer Neutralität zurückkehrt, ihre NATO-Beitrittspläne aufgibt, die im Osten des Landes gelegenen Gebiete, die sich für eine Abspaltung entschieden haben, dauerhaft an Russland abtritt und ein umfassendes internationales Bündnis die Sicherheit der Ukraine gewährleistet.
Ein solcher Vorschlag wird von Deutschland abgelehnt. Stattdessen soll die Ukraine weiterhin kämpfen, unterstützt durch deutsche Waffen, Geld und politische Rückendeckung. Dies stand bisher im Konflikt mit dem Finanzministerium, das die Schuldenbremse einhalten wollte. Mit der Entlassung von Christian Lindner als Finanzminister ist nun der Weg frei für eine Aussetzung der Schuldenbremse, was die finanzielle Unterstützung der Ukraine erhöht und keine Verhandlungslösung anvisiert. Dies zieht eine längere Kriegsdauer nach sich, die nun von deutscher Seite finanziert wird – eine Entwicklung, die für die Ukraine ungünstig ist.
Trotz seiner kritischen Haltung gegenüber Russland und seiner Mitwirkung an der Verbreitung von Falschinformationen stellte Lindners Insistieren auf die Schuldenbremse eine unfreiwillige Schutzmaßnahme für die Ukraine dar, die nun wegfällt. Damit entfällt auch die durch deutsche finanzielle Zurückhaltung bedingte Friedensmöglichkeit.
Die übergangsweise rot-grüne Regierung bleibt ihren unrealistischen militärischen Zielen treu, trotzt täglicher Verluste und verfolgt weiterhin das Ziel eines ukrainischen Sieges über Russland, auch auf Kosten weiterer Schulden. Ein von einer internationalen Allianz unterstützter Neutralitätsvorschlag für die Ukraine, der den Konflikt langfristig befrieden könnte, steht bereits im Raum. Doch der unbedingte Kriegswille der Restkoalition verspricht keinen Sieg für die Ukraine und ändert nichts am Ausgang des Konflikts. Deutschland verstößt somit gegen seine friedenspolitischen Verpflichtungen und priorisiert militärische Lösungen, was der historischen Rolle Deutschlands und seinen vertraglichen Verpflichtungen widerspricht. Eine zunehmende Verschuldung für diesen zivilisatorischen Rückschritt ist nur das Tüpfelchen auf dem i.
Mehr zum Thema – Nach anfänglichen Spekulationen – Habeck wird doch nicht das Finanzministerium übernehmen