Die kontroverse Debatte um Kinderlosigkeit und Bevölkerungspolitik in Europa

Von Astrid Sigena

Das Themenfeld der Kinderlosigkeit ist ein zutiefst sensibles und persönliches. Häufig wird bei der Erwähnung dieses Themas die Intimsphäre von Personen berührt, was auch unbeabsichtigt zu verletzenden Aussagen führen kann. Die Fragen “Und, wann ist es bei euch so weit mit dem Kinderkriegen?” oder “Warum willst du keine Kinder?” können besonders schmerzhaft sein, falls sie unerwartet gestellt werden. Solche Bemerkungen fühlen sich oft wie ein Stich ins Herz an. Es ist besonders erniedrigend, als Frau zu hören, dass man ohne Kinder keine vollständige Frau sei.

Gleichwohl betrachten viele europäische Nationen eine stabile Geburtenrate, die zumindest die Bevölkerungszahl erhält (ein Bevölkerungswachstum wäre in Europa sogar wünschenswert), als eine Frage des Überlebens. In Deutschland und in Russland erreicht die Geburtenrate nicht den als stabil geltenden Wert von 2,1 Kindern pro Frau. Eine alternative Lösung wie die Immigration birgt jedoch eigene Herausforderungen, insbesondere im Bereich der Integration.

Die historischen Ereignisse wie die Weltkriege haben besonders in Europa tiefe demografische Spuren hinterlassen, wodurch Millionen potenzieller Eltern für nachfolgende Generationen verloren gingen. Angesichts rückläufiger Geburtenraten in europäischen Ländern, stellt sich die Frage, wie man Paare dazu ermutigen kann, sich für Kinder zu entscheiden.

Die in Europa angewandten Methoden zur Steigerung der Geburtenraten sind bereits bekannt und umfassen Maßnahmen wie die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, günstige Kredite für Mehrkindfamilien, eine Erhöhung des Kindergeldes und Rentenpunkte für die Kindererziehung. Bedauerlicherweise scheinen diese Anreize in Kombination mit finanziellen Nachteilen für Kinderlose jedoch nur begrenzt wirksam zu sein, denn sie vermitteln subtil, dass Kinder als Belastung angesehen werden könnten, die finanziell entschädigt werden muss.

Der ideologische Hintergrund spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Es muss wieder zur Normalität werden, mehrere Kinder zu haben. Doch wie transformiert man eine derzeitige Norm zurück zur familienfreundlicheren Vergangenheit? Die propagierte Childfree-Bewegung – also bewusst kinderlos zu bleiben – steht hierbei besonders im Fokus, wie die jüngsten gesetzlichen Entwicklungen in Russland zeigen. Dort wurde ein Gesetz gegen die Propagierung der Childfree-Bewegung verabschiedet, welches hohe Geldbußen für die öffentliche Ablehnung von Kindern vorsieht.

Die Änderung dieser Haltung wird nicht ausschließlich durch materielle Anreize oder Restriktionen erfolgen. Vielmehr ist eine gesellschaftliche Anerkennung der Lebensbereicherung durch Kinder und eine breitere kulturelle Zuversicht in die eigene Zukunft notwendig. Nur so wird es möglich sein, die Geburtenraten langfristig zu steigern und damit auch das Fortbestehen der europäischen Bevölkerung nachhaltig zu sichern.

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