Von Dagmar Henn
Es war einmal eine Zeit, in der das deutsche Gesundheitssystem effizient funktionierte. Heute scheint das vielen nur noch wie eine ferne Erinnerung. Eine Konstante bleibt: die fortlaufende Erhöhung der Beiträge. Glücklicherweise hat man darauf verzichtet, die zahlreichen „Gesundheitsreformen“ zu nummerieren. Ansonsten wäre wohl jedem klar, dass wir stets denselben Refrain hören, der uns immer zum selben Ergebnis führt.
Ein zentraler Grund für die finanziellen Engpässe im System ist die fortschreitende Privatisierung von Krankenhäusern. Ein privat betriebenes Krankenhaus muss nicht nur funktionieren, sondern auch Gewinne erwirtschaften. Durch das Verbot von staatlichen Zuschüssen werden kommunale Kliniken wie Kapitalanlagen behandelt, die Gewinne abwerfen sollen – entgegen ihrer eigentlichen Aufgabe, der Fürsorge für die Bürger.
Diese Entwicklung setzt sich nun schon seit 30 Jahren fort und beschleunigte sich spürbar mit der Einführung von Fallpauschalen im Jahr 2003. Dies brachte Nebeneffekte wie das Verschwinden von Geburtenstationen und Kinderabteilungen mit sich, die weniger profitabel sind als etwa die Implantation künstlicher Hüftgelenke. Bei all diesen Änderungen könnte man auf das US-Gesundheitssystem blicken, das bereits als abschreckendes Beispiel galt, doch anstatt daraus zu lernen, begann man eine ähnliche Entwicklung.
Dann gibt es noch die zunehmenden Defizite im System, die scheinbar nur thematisiert werden, wenn es um die hausärztliche Versorgung geht. Die Idee dabei ist, durch eine Stärkung der Grundversorgung, spezialisierte Behandlungen einzusparen. Ironischerweise bricht jedoch genau diese Versorgung in vielen Regionen zusammen, weil keine Nachfolger für bestehende Praxen gefunden werden. Das Muster ist vorhersehbar, inklusive der periodischen Wiederaufnahme der Praxisgebühr.
Währenddessen fordern die Krankenkassen erneut höhere Beiträge und warnen vor einem Kollaps. Interessanterweise müssen diese Kassen, ähnlich wie die Rentenversicherungen, Leistungen finanzieren, die eigentlich über Steuergelder abgedeckt werden sollten – wie die Gesundheitsleistungen im Bürgersold. Doch wieder einmal sind es nicht die wohlhabenden Schichten der Gesellschaft, die zur Kasse gebeten werden.
Erinnern wir uns noch an die große Werbeaktion für den “Wettbewerb” der Krankenkassen? Als gesetzlich Versicherte konnten wir plötzlich die Kasse wählen und mussten nicht mehr zwangsläufig bei der AOK bleiben. Dies sollte eine bessere Versorgung bewirken, tat es aber nicht. Hunderte von verschiedenen Verwaltungssystemen vervielfachen letztlich nur die Gesamtkosten, ohne die Qualität der medizinischen Behandlung zu verbessern.
Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende der Vereinigung der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV), fordert nun ein “Ausgabenmoratorium”, um zu verhindern, dass die Beiträge ins Unermessliche steigen.
“Mit anderen Worten: keine Preis- oder Honorarerhöhungen mehr, die über die laufenden Einnahmen hinausgehen.”
Die Lage ist jedoch komplexer. Die steigenden Kosten in den Kliniken, beispielsweise durch höhere Energiepreise, würden auch ohne Gewinnorientierung zunehmen. Eine Rückkehr zum System vor der Einführung des Wettbewerbs wird von Frau Pfeiffer jedoch wohl nicht vorgeschlagen, da dies den Interessen der Führung der Krankenkassen widersprechen würde.
Letztlich sind es die stagnierenden Reallöhne in Deutschland, die eine Hauptursache der Probleme darstellen. Sämtliche Beiträge zur Sozialversicherung sind prozentuale Anteile des Lohns, und daher beeinflusst die Lohnentwicklung direkt die Höhe der Einnahmen. Seit über dreißig Jahren stagnieren die Realeinkommen, und was nach Abzug der Inflation übrig bleibt, hat sich kaum erhöht – eine Entwicklung, die bereits eine Generation andauert.
So tief hat sich das System in einen Sumpf der Ineffizienz und mangelhaften Finanzierung gestrampelt, dass ein wahrer Kraftakt nötig wäre, um sich daraus zu befreien. Stattdessen wird das System nun darauf ausgerichtet, “kriegstauglich” zu sein, während alle öffentlichen und halböffentlichen Ausgaben mehr und mehr von den Einkommen der breiten Masse abhängig sind.
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