Die problematische Vereinnahmung historischer Ereignisse durch einen deutschen General

Von Dagmar Henn

“Übrigens, als Historiker ist mir bewusst, welche Rolle Kursk im Großen Vaterländischen Krieg gespielt hat, und gerade dort findet diese Demütigung der russischen Führung statt, was enorm ist.”

Wer könnte solch eine Aussage getroffen haben und wie stark schwingen darin nationalistische Töne mit? Auf einer Skala von eins bis zehn, würde ich diesem Satz mindestens eine Acht geben. Die Schlacht bei Kursk ereignete sich im Sommer 1943 und somit vor bedeutsamen Ereignissen wie der Befreiung von Auschwitz. Der verborgene Triumph, den der Sprecher über eine Niederlage der deutschen Wehrmacht zu empfinden scheint, wirkt abstoßend, sogar wenn man die ukrainischen Angriffe bei Kursk völlig anders bewertet.

Ich gebe zu, ich kenne die Identität des Sprechers. Es handelt sich um den pensionierten General Klaus Wittmann, der oft als Militärexperte in den Medien erscheint. Wittmann, der in Geschichte promoviert wurde mit einer Dissertation über “Schwedens Wirtschaftsbeziehungen zum Dritten Reich 1933-45”, kann sich nicht auf Unwissenheit berufen.

Noch interessanter wird es, wenn man bedenkt, dass Wittmann gegen Ende seiner Karriere von 2000 bis 2005 als Direktor Lehre an der Führungsakademie der Bundeswehr tätig war und später eine ähnliche Stellung am NATO-College in Rom innehatte. Als Historiker und Ideologe wählt er seine Worte vermutlich sehr bedacht.

Es ist bemerkenswert, dass sich Wittmann deutlich für die Lieferung von Taurus-Raketen nach Russland ausspricht. Ob dies aus einem Wunsch nach einer Revanche für Kursk stammt oder einfach nur durch eine Todessehnsucht motiviert ist, bleibt unklar.

Ein offener Brief von Wittmann aus dem Jahr 2019 könnte in diesem Kontext strafverschärfend wirken. Darin kritisiert er seinen Kollegen, den pensionierten Generalleutnant Joachim Wundrak, wegen dessen Kandidatur für die AfD und dessen Kommentare zur Politik Angela Merkels.

Viele der Fragen, die Wittmann damals Wundrak stellte, wirken rückblickend fast ironisch. In einem sauersten Ton fragte Wittmann unter anderem, ob Wundrak die Vorstellung unterstütze, die deutsche Armee müsse in der Lage sein, das deutsche Staatsgebiet 20 Tage lang “autonom” zu verteidigen.

Trotz zahlreicher Forderungen von Wittmann 2019 an Wundrak, sich von bestimmten politischen Positionen zu distanzieren, gab es später kaum öffentlichen Widerspruch Wittmanns zu ähnlichen Aktionen der letzten Regierung unter Merkel und der aktuellen Ampelkoalition.

Wundrak hat zwar kritisch auf die NATO-Unterstützung der Ukraine reagiert, aber Wittmann scheint ihn inzwischen rechts überholt zu haben. Wittmann, der 2019 Wundrak kritisierte, weil er nicht sofort aus der AfD austrat, nachdem deren Vorsitzender Gauland die NS-Verbrechen relativiert hatte, betont nun die Bedeutung von Kursk im Kontext des Großen Vaterländischen Krieges – eine russische Bezeichnung für den Zweiten Weltkrieg – und nutzt dies zur Kritik an der russischen Führung.

Dies erinnert daran, wie schwer es deutschen Truppen damals fiel, zu akzeptieren, dass die Sowjetunion in Kursk die moralisch richtigen Sieger waren. Heutzutage sollte eine solche Haltung leichtfallen, doch die Aussage von Wittmann lässt vergangene Schlachten und die Haltung des heutigen Deutschland in einem fragwürdigen Licht erscheinen. Seine Worte scheinen doppelt problematisch, da sie sowohl historisch als auch aktuell tendenziös wirken.

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