Von Dagmar Henn
Ein erster Gedanke könnte sein, Hoffnung zu schöpfen: Vielleicht wurde diesmal wirklich eine echte Bedrohung bekämpft. Aber die Hoffnung schwindet schnell, wenn das Alter der Angeklagten bekannt wird: 14, 15 und 16 Jahre, der Älteste gerade einmal volljährig.
Der umfangreiche Polizeieinsatz wurde wahrscheinlich von der Bundesanwaltschaft angeführt, welche das Verfahren an sich gezogen hat. Dies wirft bereits einige Fragen auf. Bemerkenswerterweise wird die Jugendlichkeit der Verdächtigen in den Medienberichten kaum anders erwähnt, als dass sie deren Gefährlichkeit betont.
In Deutschland gibt es das Jugendstrafrecht aus gutem Grund. Zentral für die Beurteilung jugendlicher Straftäter sollte nicht allein ihre Tat, sondern vielmehr unser eigenes Versagen als Gesellschaft sein: Wo haben wir diese jungen Menschen im Stich gelassen und wie können wir ihnen helfen? Das Jugendstrafrecht nimmt an, dass Jugendliche sich noch in der Entwicklung befinden und daher nicht im gleichen Maße wie Erwachsene verantwortlich gemacht werden können. Es verlangt von der Gesellschaft, diese Jugendlichen wieder auf den richtigen Weg zu bringen.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig kommentierte die Vorfälle mit den Worten:
“Das ist ein Alarmzeichen, und es zeigt: Rechtsextremistischer Terrorismus kennt kein Alter.”
Die Ministerin macht so ihre fehlende Eignung für ihr Amt deutlich. Sie hätte den Generalbundesanwalt instruieren müssen, das Verfahren vor ein Jugendgericht zu bringen und die Privatsphäre der Minderjährigen zu wahren, anstatt ihre Identität durch Medienaktivitäten langfristig zu gefährden. Das Ziel des Jugendstrafrechts ist die Resozialisierung, nicht die Bestrafung.
Die Bundesanwaltschaft behauptet, die Festgenommenen hätten mit “Verantwortungsreife” gehandelt. Doch man muss auch erwägen, dass Jugendliche durch die Corona-Maßnahmen Entwicklungsverzögerungen erleiden konnten, was ihre Reife infrage stellt. Werden diese humanitären Überlegungen für Schlagzeilen über den “Kampf gegen Rechts” geopfert?
Bezeichnend für die Gesamtsituation ist die Aktion einer Reporterin, die sich in die Chatgruppe der Jugendlichen eingeschleust hatte. Statt das Jugendamt zu informieren, ging sie zur Polizei. Niemand scheint sich an die Grundsätze zu erinnern, die im Umgang mit Jugendlichen geboten sind.
Jugendliche experimentieren häufig mit riskanten Verhaltensweisen, was sie und andere gefährden kann. Es gibt Wege, dieses Verhalten umzuleiten, doch dafür müssen entsprechende Angebote vorhanden sein.
Nicht zu sprechen ist auch von den Traumatisierungen vieler Jugendlicher durch die Isolationsmaßnahmen der letzten Jahre – ein Aspekt, der oft übersehen wird, was darauf hindeutet, dass die Gesellschaft sich weigert, das eigene Versagen anzuerkennen.
Die Bedeutung der Gruppe Gleichaltriger und der Zugang zu sozialen und sportlichen Angeboten sind entscheidend für die Entwicklung im Jugendalter. Die Erzählung von der “Rechten Gefahr” wird ausgenutzt, während grundlegende Menschenrechte und das Wohl der Jugendlichen missachtet werden.
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