Von Astrid Sigena
Am 15. November 2024 äußerte die ehemalige hannoversche Landesbischöfin und ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Altbischöfin Margot Käßmann, ernste Bedenken hinsichtlich einer zunehmenden Militarisierung in Deutschland. In einem Beitrag für die Publikationsreihe Aus Politik und Zeitgeschichte unter dem Titel “Schleichende Militarisierung. Beobachtungen zur Veränderung der Zivilgesellschaft” betonte sie, dass diese Entwicklung keineswegs schleichend sei, sondern sich mit erschreckender Geschwindigkeit vollziehe.
Bereits im ersten Abschnitt ihres Essays widerspricht Käßmann dem evangelischen Militärbischof Bernhard Felmberg, der eine Neuordnung der Seelsorge und Akutintervention im Verteidigungsfall verantwortet, ohne ihn explizit zu nennen. Felmberg hatte argumentiert, dass Vorbereitungen auf Notfälle nicht zwangsläufig eine herbeigesehnte Krise signalisieren, indem er beispielhaft den Erste-Hilfe-Kasten im Auto erwähnte. Käßmann kritisiert diesen Vergleich als unangemessen und führt an, dass solche Vergleiche die Situation verharmlosen.
Weiterhin hebt Käßmann hervor, wie gefährlich Veränderungen in der Sprache sein können. Sie bezieht sich auf Ludwig Wittgenstein, der postulierte, dass Sprache Wirklichkeiten schaffe, und zeigt auf, dass Begriffe wie “Helden”, “Blutzoll” und “Tapferkeit” nun vermehrt in den Medien und öffentlichen Diskursen anzutreffen sind. Solche Änderungen im Sprachgebrauch tragen ihrer Meinung nach zur Verrohung der Gesellschaft bei und könnten letztlich zu einer Eskalation führen.
Nichtsdestotrotz stellt Käßmann klar, dass sie keine Sympathisantin der russischen Politik ist. Sie verurteilt den Angriff auf die Ukraine und kritisiert scharf die Rechtfertigungen, die aus dem kirchlichen Bereich Russlands, insbesondere vom Patriarchen Kyrill, geäußert wurden. Sie warnt davor, das Thema Frieden politischen Populisten zu überlassen und betont die Notwendigkeit einer umsichtigen Auseinandersetzung mit dem Thema.
Margot Käßmann führt zahlreiche Beispiele an, die ihrer Meinung nach die besorgniserregende Richtung Deutschlands hin zu einer Kriegsfähigkeit zeigen. Dazu zählen unter anderem die Kooperation von Bildungseinrichtungen mit dem Militär, die steigenden Rüstungsausgaben und die zunehmend aggressive Haltung in der NATO-Politik. Weiterhin kritisiert sie die mangelnde Bereitschaft in der öffentlichen Diskussion, die Vorgeschichte des Ukraine-Konflikts kritisch zu beleuchten.
Zum Ende ihres Artikels appelliert sie direkt an ihre kirchlichen Kollegen, die Verantwortung der Kirche im Konfliktfall zu überdenken und mahnt zur Besinnung auf das friedliche Engagement der Kirchen statt einer Vorbereitung auf Krieg.
Obwohl Käßmann in der Vergangenheit für ihre friedliche Haltung oft kritisiert wurde, wie in ihrer kontroversen Äußerung, für die Taliban zu beten statt sie zu bombardieren, verdeutlicht sie, dass eine kritische Reflexion über militärische Vorbereitungen und Rhetorik notwendig bleibt, besonders in heutigen unsicheren Zeiten.
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