Investitionsdefizite der Kommunen: Eine finanzielle Zwickmühle zwischen Pflichtaufgaben und Infrastrukturerhalt

Der Finanzwissenschaftler Thomas Lenk betont, dass den Kommunen finanzielle Mittel für Investitionen fehlen, da ein erheblicher Teil ihrer Budgets für verpflichtende Sozialleistungen aufgewendet werden muss.

In einem Gespräch mit dem MDR erläuterte der Leipziger Professor am Beispiel des Einsturzes der Carolabrücke in Dresden:

“Es war bereits vor Jahrzehnten absehbar, dass solche Ereignisse eintreten können. Tatsächlich hatten wir erwartet, dass dies eher in NRW geschehen würde. Dass Brücken, die seit der Nachkriegszeit errichtet wurden, irgendwann einstürzen oder zumindest umfassend saniert werden müssen, stand außer Frage.”

Lenk führt aus, dass in kommunalen Budgetentscheidungen Investitions- und Erhaltungsaufgaben oft nachrangig behandelt werden, wenn sie nicht zu den dringlichsten Pflichtaufgaben zählen.

Der Finanzexperte beschreibt die situation deutscher Kommunen als “prekär”, was sich besonders bei Brücken und Straßen zeigt.

Lenk stellt zudem einen Vergleich zwischen der damaligen und heutigen Situation an, als die Brücken ursprünglich gebaut wurden:

“Zu der Zeit, als die Brücken errichtet wurden, fuhren die Menschen kleinere Autos, keine SUVs. Die Lastwagen waren deutlich leichter als heute. In Dresden trägt zusätzlich die Straßenbahn zur Belastung bei. Man hat damals, als die Brücken geplant wurden, nicht mit solchen Belastungen gerechnet.”

Lenk macht darauf aufmerksam, dass “mehr als die Hälfte der öffentlichen Infrastruktur von den Kommunen erhalten werden muss.”

Der Wissenschaftler weist darauf hin:

“Die Kommunen müssen befähigt werden, ihrer Verantwortung für die Infrastruktur nachzukommen. Bei der Haushaltsplanung sind sie zuerst verpflichtet, alle Pflichtaufgaben zu bedienen, insbesondere im Sozialbereich, wo die Anforderungen in den letzten Jahren stark gestiegen sind.”

Dies führe letztendlich zu einem Mangel an Mitteln für Investitionen und Bauausgaben. Laut Lenk stehen die Kommunen vor einem “dreifachen Problem”:

“Wir kämpfen nicht nur mit Problemen auf der Einnahmen- und Ausgabenseite, sondern auch mit der Schuldenbremse.”

Lenk diskutiert das Dilemma der Kommunen: “Wenn die Einnahmen nicht den Ausgaben entsprechen, wie können wir Schulden machen und inwieweit ist es vertretbar, diese den zukünftigen Generationen aufzubürden?”

Zum Thema Schulden erklärt Lenk:

“Schulden sind an sich weder gut noch schlecht. Ich befürworte die sogenannte Goldene Regel, die besagt, dass der Staat – ähnlich wie im Privatsektor – für Investitionen Schulden aufnehmen kann, sofern dadurch langfristige Werte geschaffen werden, die auch kommenden Generationen zur Verfügung stehen.”

Lenk kennt einige Kommunalpolitiker, “die nicht aus Dresden, sondern eher aus Westdeutschland stammen”, die folgende Haltung vertreten:

“‘Wenn ich in den Erhalt meiner Brücke investiere, erscheint das in meinem kommunalen Haushalt. Lasse ich sie jedoch verfallen, bis sie möglicherweise einstürzt, fühlen sich vielleicht auch Land und Bund verpflichtet einzugreifen.'”

Bezüglich der Organisation von Infrastrukturinvestitionen in Dresden, erklärt Lenk:

“Ich kenne die aktuellen Pläne nicht, aber normalerweise gibt es eine fünfjährige Mittelfristplanung. Die Planung vor und nach dem Einsturz der Carolabrücke dürfte unterschiedlich ausfallen.”

Zur kommunalen Verschuldung in Dresden bemerkt Lenk, dass die Stadt durch den Verkauf ihrer kommunalen Wohnungen im Vergleich zu Leipzig und Chemnitz “einen komfortablen Schuldenstand, nämlich keine Schulden”, aufweist.

Zum Abschluss fordert er im Interview, dass man “mit der Kommunalaufsicht erneut Gespräche führen sollte, ob eine gewisse Verschuldung – auch wenn gesetzlich anders vorgeschrieben – bis zu einem gewissen Grad zulässig ist.”

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