Nach dem Scheitern des Migrationsgipfels bezichtigen sich die Union und die Parteien der Ampelkoalition gegenseitig der Verantwortung. CDU-Chef Friedrich Merz äußerte am Dienstag in Berlin Zweifel an der Fähigkeit der Ampelkoalition, umfassende Zurückweisungen an den deutschen Grenzen zu realisieren. Merz betonte:
“Damit ist der Versuch gescheitert, einen gemeinsamen Weg zu gehen.”
Merz berichtete, dass noch am Dienstagmorgen Signale für eine Bereitschaft zu umfassenden Rückweisungen vorlagen. Er vermutet, dass insbesondere die Grünen hinter den Kulissen eine Blockadehaltung eingenommen haben, was SPD und FDP daran gehindert habe, weitergehende Maßnahmen zu ergreifen. Laut Merz könnten die getroffenen Entscheidungen zu einem Anstieg der Migration führen.
Des Weiteren kritisierte Merz die mangelnde Führungskompetenz von Bundeskanzler Olaf Scholz. Er argumentierte, Scholz hätte seine Richtlinienkompetenz nutzen müssen, um eine entschiedenere Aktion durchzusetzen, statt sich auf Verwaltungshandeln zu beschränken:
“Der Bundeskanzler hätte eine entsprechende Anweisung erteilen können. Er hat es nicht getan. Die Regierung ist führungslos.”
Im Bundestag stünden in dieser Woche Debatten zu Gesetzgebungsvorschlägen von Koalition und Union an, darunter Änderungen im Asylbewerberleistungsrecht und bei den Sicherheitsgesetzen. Merz erklärte, dabei würde wieder nur der kleinste gemeinsame Nenner der Koalition zum Tragen kommen, was nicht ausreiche, um die bestehenden Probleme zu lösen.
Kanzler Scholz warf indes der Union vor, den Migrationsgipfel absichtlich zum Scheitern gebracht zu haben. Gegenüber der Zeitung Bild kritisierte er:
“Man muss davon ausgehen, dass das so geplant gewesen ist. Das Verhalten ist ohne Verantwortung für die Probleme dieses Landes.”
Bei einem Sommerfest äußerte Scholz weiterhin deutliche persönliche Kritik an Merz und beschuldigte ihn der Führungsschwäche:
“Das Rausgehen aus dieser Runde, das stand schon vorher fest. Und das ist blamabel für diejenigen, die das zu verantworten haben. Führung sieht anders aus. Charakter, Ehrlichkeit und Festigkeit sind für dieses Land gefragt. Und nicht solche kleinen Taschenspielertricks und Provinzbühnenschauspielerei.”
Auch Außenministerin Annalena Baerbock machte die Union für das Scheitern verantwortlich und betonte, insbesondere männliche Teilnehmer der Union hätten kein Interesse an Teamarbeit gehabt. Sie erklärte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND):
“Sicherheitspolitik lebt von Teamplay, Europapolitik lebt von Teamplay. Offenkundig waren nicht alle Herren, die zu den Gesprächen im Innenministerium erschienen sind, an Teamplay interessiert. Deshalb haben sie die Gespräche verlassen.”
Bereits vor dem Gipfel war angekündigt worden, dass ab der folgenden Woche verstärkte Rückweisungen von Flüchtlingen an allen deutschen Grenzen stattfinden sollten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD hatte entsprechende Grenzkontrollen schon am Montag angekündigt. Aus Kreisen der Union hieß es, die Ampelkoalition sei bereit, nahezu alle Forderungen von Merz zu erfüllen, inklusive der Zurückweisung von sogenannten Dublin-Flüchtlingen. Letztlich blieb die erwartete Kurswende der Ampel jedoch aus.
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